311. Der rote Schuh

Der rote Schuh

Es war einmal ein kleines Bauernmädchen mit Namen Isabelle. Sie verbrachte viel Zeit damit, der Königsfamilie bei ihren Festen zuzuschauen.
An diesem Abend wurde das herrschaftliche Schloss vom Vollmond beschienen. Im großen Thronsaal wurde ein großes Fest gefeiert, denn der Prinz sollte am heutigen Abend aus den vielen hübschen Prinzessinnen eine Braut aussuchen.
»Sie sieht so unglaublich hübsch aus.«, schwärmte Isabelle.
»Warum hat der Prinz sie noch nicht gesehen?«
Doch dann trafen sich die Blicke der Beiden und es war um sie geschehen. Sie hatten sich ineinander verliebt.
Isabelle griff sich verträumt an ihr Herz.
»Juhuu, es hat gefunkt. Das wird bestimmt eine richtig traumhafte Hochzeit werden.«
Doch dann schlug die Uhr zwölf Schläge.
Die wunderhübsche Prinzessin erschrak und stürmte aus dem Saal. Sie verließ das Schloss durch eine Seitentür und lief direkt an Isabelle vorbei und verlor dabei einen ihrer gläsernen Schuhe.
Das Bauernmädchen war so überrascht, dass sie sich fast nicht mehr rechtzeitig verstecken konnte. Mit einem großen Sprung landete sie in einem großen Busch.
In diesem Moment kam der Prinz nach draußen gelaufen.
»Wo ist sie hin?«, fragte er seine Freunde.
Aber niemand konnte die wunderhübsche Prinzessin sehen. Sie war verschwunden.
»Seht doch, eure Hoheit. Sie hat einen Schuh verloren.«
Der Prinz sah zum Boden und entdeckte einen roten Schuh. Vorsichtig hob er ihn auf und besah ihn sich von allen Seiten.
»Seltsam. Ich hätte schwören konnen, dass er im Thronsaal anders ausgesehen hätte. Viel schöner.«
Er überlegte.
»Egal. Schickt Boten in alle umliegenden Städte. Die Prinzessin muss gefunden werden. Bringt mir alle Mädchen ins Schloss. Wem der Schuh passt, wird meine Braut werden.«
Isabelle sah verzweifelt an sich herab. Ein roter Schuh? Sie zog ihr Kleid hoch und betrachtete ihre Füße. Am einen saß ein roter Schuh, der andere steckte nur noch in einer Socke.
»Oh nein. Ich bin ein Tollpatsch. Wie soll denn nun der Prinz seine richtige Prinzessin finden.«
Isabelle kroch aus dem Busch heraus und fand den gläsernen Schuh abseits an einer Mauer liegen. Sie steckte ihn schnell ein und lief nach Hause.

Am nächsten Morgen wachte Isabelle schon mit starken Kopfschmerzen und einem schlechten Gewissen auf. In ihrem Magen rumorte es.
Plötzlich klopfte es an der Tür.
»Aufwachen. Hier sind die Gesandten des Prinzen. Alles Weibsvolk hat unverzüglich auf der Straße zu erscheinen. Ihr habt fünf Minuten.«
Isabelle bekam Angst. Würde nun das geschehen, was sie nie geplant hatte?
»Wir müssen raus gehen.«, sagte ihre Freundin Aschenputtel.
Sie nahmen sich gemeinsam an die Hand und traten vor die Tür.
Genau in diesem Moment kam der Prinz um die Ecke. Aschenputtels Augen begannen zu leuchten, während Isabelle rot im Gesicht wurde und am liebsten im Erdboden versunken wäre.
»Wem der Schuh passt, wird meine Braut und fortan mit mir am Hofe leben.«
Aschenputtel konnte ihr Lächeln nicht unterdrücken, als der Prinz in eine Tasche griff. Doch dann kam die bittere Überraschung. Er zog einen roten Schuh hervor.
»Ein roter Schuh?«
Aschenputtel sah Isabelle verzweifelt an.
»Ich wusste doch nicht, dass du die wunderhübsche Prinzessin gestern Abend warst. Ich bekomm das schon wieder hin. Versprochen.«
Der Prinz blieb vor Aschenputtel stehen.
»Deinen Fuß bitte. Strecke ihn vor.«
Isabelle hatte plötzlich einen Einfall und trat einen Schritt zurück.
»Beweg dich nicht und lass deine Füße am Boden.«, flüsterte sie.
Dann ließ sie sich auf den Boden fallen und streckte ihren Fuß zwischen Aschenputtels Beinen durch. Der Prinz griff nach dem Fuß und steckte den Schuh darüber.
»Sie ist es. Ich habe sie gefunden.«, rief er seinen Freunden zu.
»Wie ist dein Name?«
Aschenputtel errötete und nannte ihren Namen.
»Dann komm mit mir, schönes Aschenputtel.«
Aschenputtels Herz machte einen Hüpfer. Doch bevor sie in die königliche Kutsche stieg, warf sie Isabelle noch einen Blick zu und flüsterte ihr ein leises ›Danke‹ zu.

Am Abend des nächsten Tages wurde wieder ein großes Fest im Schloss gefeiert. Isabelle stand wieder am Fenster und sah hinein.
»Sie sieht schon wieder so verdammt hübsch aus. Der Prinz hat sich genau die richtige ausgesucht.«
Doch dann wurde sie von Aschenputtel entdeckt. Die junge Prinzenbraut flüsterte ihrem neuen Mann etwas zu. Nur Sekunden später setzten sich ein paar Wachen in Bewegung.
»He, Bauernmädchen.«, war plötzlich eine Stimme zu hören.
»Mitkommen.«
Isabelle bekam Angst. Nun war sie doch noch erwischt worden. Doch statt bestraft zu werden, führte man sie in ein Ankleidezimmer, in dem Aschenputtel schon wartete.
»Ich kann doch nicht zulassen, dass meine beste Freundin nur vom Fenster aus zuschauen kann. Du wirst mit uns feiern.«
Und schon kleidete man Isabelle in ein wunderschönes Kleid.

Und wenn sie nicht gestorben ist, hat sie ebenfalls einen Edelmann an diesem Abend kennengelernt und ihn geheiratet.

(c) 2010, Marco Wittler

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