559. Weihnachten bei der Viererbande

Weihnachten bei der Viererbande

Draußen lag hoher Schnee. Dicke Schneeflocken tobten durch die Luft. In jeder Stadt, in der Straße und an jedem einzelnen Haus duftete es bereits nach Weihnachten, obwohl es noch ein paar Tage bis Heiligabend dauerte.
Drinnen, im warmen Wohnzimmer, saß Mama Yvonne auf dem Sofa und grübelte.
In diesem Moment öffnete sich mit einem lauten Rumms die Eingangstür.  Eine Gruppe vermummter, kleiner Personen in dicken Jacken kam herein gestürmt. Die Viererbande, wie sie von allen genannt wurde, machte sich im gesamten Flur breit. Dann flogen Jacken, Handschuhe, Schals, Schuhe und Mützen durch die Gegend und blieben einfach liegen, wo sie gelandet waren.
Mama stand auf hastig auf und trat der Bande mutig entgegen. sie stemmte ihre Hände in die Seiten und setzte ein grimmiges Gesicht auf.
»Marc, David, Sina, Lucas!«, rief sie laut.
»Wie oft habe ich euch eigentlich schon gesagt, dass ihr eure Klamotten nicht einfach überall liegen lassen könnt? Los, ab damit an die Garderobe, wie es sich gehört.«
Mit einem schiefen Grinsen gehorchten ihre vier Kinder.
»Und wenn ihr fertig seid, kommt bitte zu mir ins Wohnzimmer.«
Es dauerte nur wenige Augenblicke, da saß die komplette Viererbande um den Wohnzimmertisch verteilt. alle sahen Mama neugierig an.
»In ein paar Tagen ist Weihnachten.«, begann sie schließlich. »Kein einziges meiner Kinder hat mir bis heute auch nur einen Weihnachtswunsch gesagt. So langsam wird es dafür Zeit, wenn ihr nicht ohne Geschenk vor dem Weihnachtsbaum sitzen wollt.«
Die Kinder grinsten still. Jedes Jahr das gleiche Problem. Sie wussten einfach nicht, was sie sich wünschen sollten. Mama seufzte.
»Also, ihr geht jetzt in die Küche, nehmt euch Stift und Papier und schreibt Wunschzettel. Ihr kommt nicht eher zurück, bis ihr fertig seid.«
Die Viererbande stand auf. Jeder setzte sich an den Küchentisch, aß etwas und kritzelte drauf los. Zwischendurch tuschelten die Kinder miteinander, fragten, was der jeweils andere zu Weihnachten haben wollte. Erst eine ganze Stunde später kamen sie zurück ins Wohnzimmer und legten vier gefaltete Zettel auf den Tisch. Dann verzogen sie sich in ihre Zimmer.
Mama faltete die Zettel auseinander und las.
Die Wünsche passten zu jedem der Kinder. Während der letzten Monate hatten sie immer wieder von dem geredt, was nun auf den Wunschzetteln stand. Doch dann stutzte Mama und wunderte sich.
Marc hatte dieses Jahr noch etwas Zusätzliches aufgeschrieben. ›Der Weihnachtsmann soll bitte nich ein zweites Geschenk mitbringen. Es ist nicht für mich, sondern für den guten Geist, der auf unserem Dachboden lebt.‹
Bei David las sie etwas Ähnliches. ›Ich wünsche mir nich ein zweites Geschenk. Das liegt nicht daran, dass ich gierig bin, sondern ich möchte es an das kleine Monster aus dem Keller weiter geben, dass mich nie in seinem Leben ein Geschenk bekommen hat.‹
Der dritte seltsame Wunsch kam von Sina. ›Lieber Weihnachtsmann. Ein Wunsch ist gut, zwei Wünsche sind nich besser. Deswegen hätte ich gern zwei Weihnachtsüberraschungen. Eines davon gebe ich aber dem dicken Schneemann, der draußen vor der Tür steht. Er ist immer so einsam, wenn es Nacht wird. Er würde sich bestimmt über eine kleine Kleinigkeit freuen.‹
Und zum Schluss blieb nur noch Lucas übrig. Er hatte es seinen Geschwistern gleich getan. ›In diesem Jahr will ich zwei Geschenke. Das zweite gebe ich aber weiter an das kleine Mäuschen, dass nebenan in der Scheune lebt und immer so wahnsinnig friert. Ich verspreche auch, dass ich das zweite Geschenk nicht für mich behalten werde.‹
Mama wunderte sich immer mehr. Solche Wunschzettel hatte sie noch nie gelesen. Aber da Weihnachten vor der Tür stand, wollte sie alle Fünfe gerade sein lassen. Sollte die Viererbande ruhig zwei Geschenke in diesem Jahr bekommen.

Ein paar Tage später war es dann so weit. Heiligabend stand nicht nur auf dem Kalender, sondern auch vor der Tür. Der Christbaum stand festlich geschmückt im Wohnzimmer. Aus der Küche duftete es nach leckerem Punsch. Die Viererbande saß vor dem Baum. Gespannt warteten die auf das alljährliche Startkommando.
»Ihr dürft.«, gab Mama schließlich die Erlaubnis.
Marc war der erste, der sich sein Geschenk nahm. David, Sina und Lucas waren aber nur wenige Sekunden langsamer. Das Geschenkpapier flog in großen und kleinen Fetzen durch die Luft. Die Freude über die Geschenke war riesig groß.
»Und was ist mit den zweiten Geschenken?«, fragte Mama ein paar Minuten später.
»Die bringen wir jetzt weg.«, sagte Marc und zwinkerte seinen Geschwistern zu.
Die Viererbande stand auf. Sie schnappten sich ihre Geschenke, zogen ihre Winterklamotten an und verließen gemeinsam das Haus.
Nun wurde Mama richtig neugierig. Sie zog sich ebenfalls etwas Warmes über und schlich ihren Kindern hinterher.
Der Weg war nicht weit. Nur fünfhundert Meter weiter klingelte Sina an einer Haustür. Es wurde geöffnet und eine ältere Dame kam zum Vorschein.
»Aber das ist doch …«, murmelte Mama grinsend.
Sie kannte die alte Dame sehr gut. Sie stand jedes Jahr am Eingang des Kaufhauses und sammelte Geschenke für arme Kinder, die sonst keine Überraschung an Weihnachten bekamen.
»Eine tolle Viererbande hab ich da.«, freute sich Mama und ging mit einem Lächeln zurück nach Hause.

(c) 2016, Marco Wittler

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