164. Die Bestie

Die Bestie

Die Nacht brach herein. Wolken waren keine am Himmel zu sehen, dafür unzählige kleine weiße Pünktchen, die Sterne. Schon bald würde auch der Mond seine Bahn zum Firmament beschreiten. Ein paar wenige Grillen zirpten und ein Uhu ließ hin und wieder seine Stimme hören.
Der Boden des Waldes war mit leichten Nebelschwaden bedenkt, durch die immer wieder das eine oder andere Hütchen eines giftigen Pilzes hervor sah.
Es war eine perfekte Nacht, um Hexen und Zauberer zu beobachten, wie sie Zutaten für ihre geheimen Tränke suchten. Allerdings gab es auch noch ganz andere Gestalten, die zwischen Büschen und Bäumen umher schlichen. Unter ihnen waren zwielichtige Gestalten, Diebe und Mörder. Es wurde sogar gemunkelt, dass sogar schon Monster, Vampire und Kobolde gesichtet wurden. Doch das waren nur Gerüchte. Die Existenz des einen oder anderen Waldgeistes war dafür hinreichend belegt und bewiesen worden.
Eine Gruppe von drei Männern war in diesen Stunden auf einem dunklen Pfad unterwegs. Sie hatten die Zeit vergessen und waren nun auf dem Weg in ihr Heimatdorf. Auf den Rücken ihrer Maultiere lagen schwere Säcke mit kostbaren Stoffen und Gewürzen, die sie auf dem Markt der Stadt gekauft hatten.
»Wir sollten nicht hier sein.«, sagte einer von ihnen.
»Es wimmelt hier bestimmt nur so von Geistern und Gespenstern, die uns zu Tode erschrecken werden. Wir kommen hier bestimmt nicht mehr lebend heraus.«, fürchtete ein anderer.
Der Dritte war der einzige, dem man keine Angst ansehen konnte.
»Haltet endlich die Klappe. Das einzige, was es hier im Wald gibt, ist unrechtes Gesindel. Und wenn ihr weiter so viel redet, wie die Waschweiber, dann werdet ihr die Verbrecher noch viel schneller zu uns locken.«
Die drei Männer verstummten wieder und setzten ihren Marsch fort, während der Mond seine ersten Lichtstrahlen durch die Bäume sandte.
»Wer ist das dort? Das sitzt doch jemand?«
Und tatsächlich. Unter einer dicken Eiche hockte eine gebrechlich wirkende Person. Auf ihrem Kopf thronte ein spitzer Hut, während auf ihrer Schulter ein schwarzer fauchender Kater saß.
»Es ist eine Hexe, die Eicheln sammelt. Sprecht sie nicht an und schaut ihr nicht in die Augen. Dann wird sie uns nicht beachten und passieren lassen.«
Nur wenige Schritte waren sie von der alten Frau entfernt. Es schien, als würde sie gar nicht wissen, dass hinter ihr jemand durch den Wald gehen würde. Sie nahm eine Eichel nach der anderen auf und steckte sie in ein kleines Säckchen.
Nur ein paar Minuten später sprang ein großes haariges Wesen von einem Baum herab und knurrte die Gruppe an. Ein Werwolf, ein verfluchter Mensch, der sich im Licht des Vollmondes in eine gefräßige Bestie verwandelte, kam den drei Männern langsam näher. Von seinen kräftigen Kiefern tropfte frisches Blut und dennoch war sein Hunger noch lange nicht gestillt.
Er sprang ein weiteres Mal und riss bei seiner Landung einen der Männer zu Boden. Gerade als er ihm die Kehle durchbeißen wollte, riss es ihn von den Pfoten und ein weiterer Mann setzte sich auf seine Brust. Nun war von dem Untier nur noch ein leises Winseln zu hören.
Der Mann öffnete langsam seinen Mund. Das Mondlicht spiegelte sich an seinen langen Eckzähnen.
»Musst du uns denn jeden Monat wieder anfallen? Kannst du dir nicht einfach merken, dass wir Vampire sind und nicht auf deiner Speisekarte stehen?«
Er zog den Werwolf hoch, gab ihm einen Tritt und jagte ihn zurück in den Wald.
»Beim nächsten Mal werde ich dich zu einem von uns machen. Dann wirst du mit zwei schlimmen Flüchen leben müssen. Also überleg es dir gut.«, rief er der Bestie hinterher.
Die drei Männer setzten ihren Marsch fort.
»Ich hab es gewusst. Hab ich es euch nicht gewarnt?«, sagte nun der Ängstlichste von ihnen.
»Ich wusste, dass uns der Werwolf wieder auflauern wird. Aber  ihr wolltet ja nicht auf mich hören. Ich wünschte, er würde endlich damit aufhören. Ich bin doch so schreckhaft und werde eines Tages an einem Herzinfarkt sterben, wenn er sich nicht zurück hält. Ach wäre ich doch heute Nacht zu Hause in meinem Sarg geblieben. Aber ihr musstet ja unbedingt einkaufen gehen. Aber das nächste Mal könnt ihr ohne mich los ziehen. Darauf könnt ihr euch verlassen.«

(c) 2008, Marco Wittler

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