480. Eine Schnecke auf dem Mond (Ninos Schneckengeschichten 9)

Eine Schnecke auf dem Mond

Nino stand in seinem großen Haus vor dem Spiegel und putzte mit einem Staubtuch über sein kleines Haus, dass er auf dem Rücken hatte.
Moment mal. Ein Haus auf dem Rücken? Ein echtes Haus zum Tragen? Wer macht denn so etwas, wenn er in einem großen Haus lebt?
Nun ja. Nino machte das so. Und das war für ihn auch nichts Besonderes. Denn Nino war eine Schnecke. Und Schnecken haben nun mal ihr Haus immer mit dabei.
Nino stand also vor dem Spiegel und putzte Staub auf seinem kleinen Haus.
»Da kannst du mal sehen, wie lange wir schon nicht mehr vor der Tür waren, um etwas zu erleben.« sagte er zu seinem Hund Wuschel.
Wuschel, der ihn treu auf einem Skateboard durch die Stadt überall hin zog, bellte zustimmend und hüpfte im Kreis herum, weil auch ihm langweilig war.
»Ist dir etwa auch langweilig? Dann sollten wir etwas dagegen unternehmen. Wenn ich nur wüsste, was das sein soll.«
Ideenlos ließ sich Nino in seinen Sessel fallen und schaltete den Fernseher an.
»Also bleiben wir wohl doch hier und machen, was wir jeden Abend machen.«
Doch an diesem Abend kam kein spannender Krimi im Fernsehen oder eine lustige Spielshow. Dieses Mal wurde darüber berichtet, dass schon bald eine Rakete zum Mond fliegen würde.
»Schau mal Wuschel. Die Astronauten werden Morgen zu einem Flug ins Weltall aufbrechen. Das habe ich mir schon immer gewünscht. Einmal die Erde von Oben sehen, mit meinen eigenen Augen. Nicht auf einem langweiligen Foto. Und dann will ich meinen Fuß in den Staub setzen und dort die allererste Schleimspur der Geschichte hinterlassen. Was hältst du davon?«
Wuschel war begeistert. Er sprang, er hüpfte, er drehte sich im Kreis und bellte immer wieder.
»Dann ist es also abgemacht. Wir fliegen mit zum Mond.«
Noch am selben Abend bereiteten sie alles Vor. Nino packte seinen Rucksack mit Proviant und verstaute ihn in seinem kleinen Schneckenhaus.
Dann spannte er Wuschel vor das Skateboard und ließ sich durch die Straßen der Stadt ziehen.
»Lauf zum Raumflughafen, Wuschel. Wir haben es eilig. Wir dürfen unseren Flug nicht verpassen. Es ist nicht mehr viel Zeit.«
Wuschel gab ordentlich Gas. Er lief schneller als jemals zuvor, bis er nach einer halben Stunde völlig außer Atem neben einer großen Mondrakete anhielt.
»Wir haben es geschafft.« sagte Nino begeistert.
»Jetzt müssen wir nur noch einen sicheren Platz für uns finden.«
Er stopfte das Skateboard in sein Schneckenhaus und fand dort auch noch einen gemütlichen Platz für Wuschel. Dann setzte er seinen Schneckenfuß vorsichtig auf das kühle Metall der Rakete und schleimte sich an ihr hinauf.
»Verdammt. Nirgendwo gibt es ein Loch oder eine Lücke, in die ich kriechen könnte.«
Also kroch er bis nach ganz oben auf die Spitze und schleimte sich dort richtig fest.
»Es gibt keinen besseren Kleber als Schneckenschleim.« rief er triumphierend.
Kurz darauf begann die Rakete zu wackeln. Es vibrierte in ihr. Dann wurde es laut. Mit einem Ohren betäubenden Krachen, startete sie vom Boden und flog in den dunklen Nachthimmel.
»Wuhuu.«, rief Nino.
»Das ist das aufregenste Abenteuer, das ich je erlebt habe.«

Es dauerte drei Tage, bis die Rakete den Weg zum Mond geschafft hatte. Soeben legte sie die letzten Meter zur Oberfläche zurück und landete sanft.
»Wuschel, wir haben es geschafft. Wir sind auf dem Mond gelandet.«
Nino konnte seine Freude kaum aushalten. Er löste seinen Schneckenfuß von der Rakete und sprang in die Tiefe. Wie in Zeitlupe fiel er nach unten.
»Ein kleiner Schritt für einen Nino, aber ein großer Sprung für alle Schnecken der Erde.« und landete im grauen Mondstaub.
»Ist das nicht unglaublich? Ich bin die erste Schnecke auf dem Mond. Das muss gefeiert werden.«
Bis auf Wuschel war aber niemand da, der ihm zu dieser Leistung gratulieren konnte. Eigentlich war überhaupt niemand in der Nähe. Nur die Astronauten, die noch in der Rakete saßen und ihren blinden Passagier nicht entdecken durften. Ansonsten war der Mond leer. Er war so richtig öd und leer. Es gab nur Staub, Geröll und ein paar einsame Bergspitzen am Horizont. Nicht einmal die Erde konnte man von hier aus sehen. Die Aussicht wurde von einem Gebirge verdeckt.
»Und ich dachte immer, der Mond wäre aus Käse gemacht und wir könnten uns hier mal so richtig den Bauch voll schlagen.«
Nino war enttäuscht.
»Nicht mal den Mann im Mond gibt. Ach Wuschel, kannst du dir einen langweiligeren Ort als diesen vorstellen?«
Nein, auch Wuschel konnte das nicht.
»Ich will wieder nach Hause. Diese Reise hat sich überhaupt nicht gelohnt.«
Also legte Nino seinen Fuß auf das kühle Metall der Mondrakete, kroch an ihr nach ganz oben auf die Spitze und schleimte sich dort fest. Nun musste er nur noch warten, bis es wieder nach Hause ging.
Etwas später öffneten die Astronauten ihre Ausstiegsluke. Sie schwebten der Oberfläche entgegen und genossen erst einmal die Aussicht. Einer von ihnen sah an der Rakete entlang und glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können. Saß dort tatsächlich eine Schnecke auf der Spitze?
Verwirrt tippte er seinen Kollegen auf die Schultern . Aber als die drei gemeinsam nach der Schnecke sahen, war diese verschwunden.
»Du leidest wohl an der Weltraumkrankheit und bildest dir Sachen ein, die es gar nicht gibt.« lachten sie ihn aus.
»Du gehst wohl besser wieder rein und schläfst eine Runde, während wir Gesteinsproben einsammeln.«
Nino grinste zur gleichen Zeit über das ganze Gesicht. Er hatte sich gerade noch rechtzeitig an der Rückseite der Rakete verstecken können.

(c) 2014, Marco Wittler

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