658. Der Sommer packt die Badehose ein

Der Sommer packt die Badehose ein

Auf dem Kalender stand der 23. September. Es war Herbstanfang. Das bedeutete, dass die Tage kürzer, die Nächte länger, die Temperaturen niedriger und das Wetter nasser wurde.
Der Sommer war vorbei. Das merkte er gerade selbst. Also seufzte er einmal laut, strich sich gemütlich über seinen Bauch und freute sich.
»Endlich hab ich Feierabend. Wurde auch mal Zeit. Drei Monate am Stück arbeiten ist echt anstrengend. Vor allem in diesem Jahr hab ich ganz schön viel zu tun gehabt mit dem vielen Sonnenschein. Jetzt hab ich mir einen ausgiebigen Urlaub verdient.«
Der Sommer holte einen großen Koffer aus dem Keller und legte ihn auf sein Bett. Nach und nach packte er alle Sachen ein, die er auf seiner Reise gebrauchen konnte.
Die wichtigsten Dinge waren auf jeden Fall ein Handtuch, Sonnencreme, ein Schatten spendender Sonnenschirm und natürlich seine knallrote Badehose. Er wollte in den Süden zum Strand.
Kurz darauf wurde der Sommer von einem Taxi abgeholt und zum Flughafen gebracht. Mit einem großen Flieger ging es zum Mittelmeer, wo er schon bald in einem schicken Hotel eincheckte.
Der Sommer brachte seinen Koffer aufs Zimmer und verstaute seine Klamotten ordentlich in einem großen Schrank. Dann zog er die Badehose an, legte sich das Handtuch über die Schultern und machte sich auf den Weg zum Strand.
Doch schon auf der Straße vor dem Hotel wunderte er sich. Draußen war es windig, kühl und am Himmel zeigten sich dicke, graue Regenwolken. Von der wärmenden Sonne war kein einziger Lichtstrahl zu sehen.
»Wie? Was? Warum ist denn hier kein schönes Wetter? Die Fotos im Reiseprospekt und im Internet haben da ganz anders ausgesehen. Ich will doch baden gehen.«
In diesem Moment kam der Herbst vorbei und lachte.
»Hey Kollege. Hast du etwa vergessen, dass ich jetzt Dienst habe und über das Wetter bestimme? Sonnenschein gibt es erst nächstes Jahr wieder. Jetzt ist die Zeit, um Drachen steigen zu lassen und warmen Tee zu trinken.«
Dann zog er weiter, um sich seiner Arbeit zu widmen.
Der Sommer seufzte laut, bevor er zurück ins Hotel ging, um sich etwas Warmes anzuziehen.
»Jedes Jahr das Gleiche. Wenn ich das bloß nicht immer vergessen würde.«

(c) 2018, Marco Wittler

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