676. Ein schrecklich kalter Winter

Ein schrecklich kalter Winter

Es war einmal ein schrecklich kalter Winter. Mit jedem Tag fielen die Temperaturen weiter. Man konnte kaum noch aus dem Haus gehen, ohne sofort blaue Finger zu bekommen.
An einem dieser Tage begab sich ein reicher Mann in die Stadt. Er war gut und warm bekleidet, trug große Stiefel, warme Handschuhe, einen weiten Mantel und eine Mütze, die selbst den Weihnachtsmann neidisch gemacht hätte.
Auf dem großen Marktplatz der Stadt hielt die Kutsche des reichen Mannes an und ließ ihn aussteigen.
Der Mann sah sich um und rümpfte verärgert über die anderen Menschen die Nase.
»Verdammtes Gesindel. Überall treibt es sich herum. Wie soll man da in Ruhe seine Weihnachtseinkäufe tätigen?«
Er betrat den ersten Laden und sah sich um, wurde aber noch wütender, als er die lange Schlange an Leuten entdeckte.
»Auf keinen Fall kaufe ich dort ein. Ich sehe es nicht ein, dass ich auch noch warten muss. Was denkt sich diese daher Gelaufenen eigentlich wer sie sind?«
So erging es ihm in jedem weiteren Laden.
»Wenn es nicht anders geht, dann fahre ich wieder nach Hause und komme Morgen wieder.«
Mit schnellen Schritten stapfte er zurück zu seiner Kutsche und wäre dabei beinahe über eine alte Frau gestolpert.
»Was stehst du mir im Weg und hältst mich auf?«, fauchte er sie an. »Siehst du denn nicht, dass ich es eilig habe?«
Die Alte verbeugte und entschuldigte sich vielmals.
»Habt ihr vielleicht einen Taler für mich oder einen kleinen Kreutzer? Ich habe heute noch nichts gegessen und kalt ist mir auch. Wenn ich nicht bald etwas in den Bauch bekomme, werde ich hier draußen sterben.«
Genervt sah der reiche Mann sie an.
»Ist das vielleicht mein Problem?«
Und ohne ein weiteres Wort ließ er sie stehen, stieg in seine Kutsche und fuhr davon.

Ein paar Tage später war der reiche Mann wieder in der Stadt. Doch auch dieses Mal war es ihm zu voll und er brach seinen Einkauf ab. Er wollte sich nicht mit dem Gesindel abgeben.
Als er wütend auf seine Kutsche zuging, wartete dort bereits die alte Frau auf ihn.
»Habt ihr vielleicht einen Taler für mich oder einen kleinen Kreutzer? Ich habe heute noch nichts gegessen und kalt ist mir auch. Wenn ich nicht bald etwas in den Bauch bekomme, werde ich hier draußen sterben.«, bat sie ihn erneut.
»Nein!«, blaffte er sie an. »Ich habe hart für mein Geld gearbeitet. Ich wäre verrückt, wenn ich es mit jeder alten Vettel teilen würde. Dann wäre ich auch bald bettelarm.«

Mit jeder Fahrt in die Stadt wiederholte sich das Geschehen. Es war dem Reichen Mann in den Läden zu voll und die alte Frau bat um ein wenig Geld. Und jedes Mal lehnte der Mann ab und fuhr davon.

Am letzten Tag vor Weihnachten sah er eine allerletzte Möglichkeit, Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Dieses Mal musste es klappen. Der reiche Mann war fest entschlossen, egal wie viel Gesindel sich in der Stadt herum trieb.
Zu seinem Erstaunen waren sehr wenige Menschen auf dem Marktplatz. Anscheinend hatten sie ihre Einkäufe bereits getätigt.
»Gut für das Gesindel. Dann wird auch nicht meinen Zorn zu spüren bekommen.«
Der reiche Mann entstieg seiner Kutsche und schickte diese wieder fort, um seine Frau von einem Kaffeekränzchen abholen zu lassen. Dann ging er durch eine kleine Seitengasse und spürte plötzlich eine Messerspitze in seinem Rücken.
»Los!«, hörte er eine bedrohlich klingende Männerstimme hinter sich. »Rück dein Geld raus und gib mir deine Winterbekleidung.«
»Was? Aber das geht nicht. Dann werde ich frieren.«
»Willst du lieber frieren oder sterben, du Narr?«
Also trennte sich der reiche Mann schweren Herzens von seinen Habseligkeiten. Der Dieb verschwand damit sofort und lachte schallend.
»Oh weh. Wie konnte mir das nur geschehen.«, beklagte sich der reiche Mann. »Wie konnte man mir nur so ein Unrecht angedeihen lassen? Ich brauche Hilfe! Wo ist nur die Polizei?«
Es war allerdings kein einziger Schutzmann zu sehen.
In diesem Moment wurde dem reichen Mann klar, dass es sehr kalt war und er zu frieren begann. Schlotternd wankte er durch die Straßen der Stadt.
»Hilfe!«, rief er den wenigen Menschen zu, die ihm entgegen kamen. »Bitte helft mir. Ich friere. Es ist so entsetzlich kalt.«
Doch kaum jemand schenkte ihm Beachtung. Stattdessen hörte er immer nur Beschimpfungen. Er wurde als Landstreicher und Bettler bezeichnet.
Erst da fiel dem reichen Mann auf, dass man ihm seinen großen Besitz nicht mehr ansah.
»Was soll denn nun aus mir werden? Bei der Kälte schaffe ich es nicht nach Hause, ohne zu erfrieren.«
Schon wollte er sich in sein Schicksal ergeben, als ihm jemand einen alten, abgetragenen Mantel von hinten über die Schultern legte.
»Sorge dich nicht.«, hörte er eine bekannte Stimme. »Es wird dir nichts geschehen.«
Es war die alte Frau, die er schon so manches Mal von sich gewiesen hatte. Sie allein hatte ein so großes Herz, dass sie ihren Mantel hergab und nun selber fror.
»Aber … warum?«, wunderte sich der Reiche. »Warum hilfst du mir, obwohl ich so ungnädig zu dir war?«
»Weil ich jedem Menschen helfe, egal wer er ist.«
Der reiche Mann wurde vor Scham rot im Gesicht.
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Hab Dank, du gute Frau.«
Gemeinsam warteten sie nun auf dem Marktplatz auf die Rückkehr der Kutsche und wechselten sich mit dem wärmenden Mantel ab.
Als es schließlich so weit war, lud der reiche Mann die alte Frau ein, mit in sein Anwesen zu kommen, um mit ihr gemeinsam Weihnachten zu feiern.
Von diesem Tag an fuhr der reiche Man täglich in die Stadt, war freundlich zu allen Menschen und hatte immer einen Beutel mit Talern und Kreutzern dabei, um Denen unter die Arme greifen zu können, die nicht so viel Glück im Leben gehabt hatten, wie er.

(c) 2018, Marco Wittler

Diese Geschichte ist Teils des Blogger Adventskränzchens 2018. Das heutige Thema lautet „Baby it’s cold outside“. Die anderen Blogs und Kanäle findest du hier.

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