709. Lachen verboten

Lachen verboten!

Mitten im Thronsaal saß der alte, griesgrämige König in seinem gemütlichen Stuhl und verzog gequält das Gesicht. Mit einer Hand hielt er einen großen, goldenen Stab fest, die andere lang auf seinem Bauch. Da drin rumorte es schon seit vielen Jahren und bereitete dem König Schmerzen ohne Pause.
Plötzlich drang durch eines der geöffneten Fenster etwas an sein Ohr. Es war das Lachen eines Mannes.
»Was soll das?«, brüllte der König wütend. »Wer hat diesem ungehobelten Klotz erlaubt, gute Laune zu haben und dieses schreckliche Geräusch zu erzeugen?«
Er wandte sich den Soldaten zu, die zu beiden Seiten der Saaltür standen.
»Geht sofort nach draußen auf die Straße, verhaftet den Mann und werft ihn bei trocken Brot und Wasser in den tiefsten und dunkelsten Kerker, den wir haben. Ich werde ihm schon zeigen, dass man sich in meinem Königreich so nicht benimmt. Hier hat man keinen Spaß zu haben.«
Gequält drehte sich der König zur Seite und schloss die Augen. Eine neue Schmerzwelle jagte durch seinen Magen.
Während sich der König bereits in seinen Gedanken ausmalte, welch schrecklichen Dinge er dem lachenden Mann antun lassen würde, hörte er bereits wieder etwas durch das Fenster. Es war ein erneutes Lachen. Dieses Mal stammte es wohl von einer jungen Frau.
»Verdammt nochmal, was geht denn heute da draußen vor sich? Ich habe doch schon vor mehreren Jahren meinem Volk das Lachen verboten. Warum hält sich da plötzlich niemand mehr dran? Soll ich etwa alle Menschen einsperren lassen?«
Der König mühte sich hoch, schlich zum Fenster und sah raus.
»Ruhe da unten, verdammt noch mal. Willst du etwa eingesperrt und von meinem Kerkermeister gefoltert werden?«
Die junge Frau verstummte, blickte zum König hinauf und lächelte ihn dann an.
»Mein Herr, ich sehe, dass es euch nicht gut geht. Das tut mir sehr leid. Aber habt ihr es schon mal mit Lachen probiert? Lachen ist gesund und tut Körper und Seele gut.«
»Wie? Was? Kann gar nicht sein.«
Dem König fiel darauf so schnell keine bessere Antwort ein.
»Na los!«, wurde er aufgefordert. »Versucht es mit einem Lächeln.«
Der König wollte sich schon erbost abwenden und erneut Wachen nach draußen schicken. Doch dann sah er sich kurz um, vergewisserte sich, dass ihn niemand beobachte und zog langsam die Mundwinkel nach oben.
»Sehr schön, Majestät.«, wurde er gelobt. »Das steht euch wirklich gut zu Gesicht. Und nun lacht mit mir.«
Die junge Frau lachte nun wieder laut auf. Es war so ein schönes Lachen, dass es ansteckend wirkte und den König mit sich riss.
Auch er lachte nun, zuerst vorsichtig, dann immer lauter. Er konnte gar nicht mehr aufhören.
Mit jedem Minute, die er da stand und lachte, spürte er, wie die Schmerzen in seinem Bauch verschwanden.
»Mädchen!«, rief er irgendwann, als er wieder Luft bekam. »Du bist das Beste, was mir passieren konnte. Mir geht plötzlich richtig gut.«
Die junge Frau lächelte ihn an und ging vergnügt weiter ihres Weges.

(c) 2019, Marco Wittler

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