1317. Ein Held für alle Fälle

Ein Held für alle Fälle

Es war tiefe Nacht. Über dem kleinen Teich, der sich auf einer weit abgelegenen, einsamen Lichtung befand, funkelten so viele Sterne, wie man sie noch nie in der Nähe menschlicher Behausungen gesehen hatte. Die Grippen zirpten eine niemals endende Sinfonie und wurden dabei von quakenden Fröschen begleitet.
Plötzlich flammte ein großes Licht auf, dessen Ursprung viele Kilometer weit entfernt war und sich an der Atmosphäre spiegelte. In einem hellen Kreis war eine dunkle Silhouette zu erkennen.
Genau in diesem Moment machte sich in einer großen Stadt ein wohl bekannter Superheld bereit, die Welt zu retten. Er legte seinen teuren Anzug ab, zog sein Kostüm über und versteckte sein Gesicht unter einer Maske. Als Batman dann seine Brille aufsetzte und ein letztes Mal nach draußen sah, seufzte er enttäuscht. Man rief nicht nach ihm. Man wartete nicht auf den dunklen Ritter. Am Himmel war im Licht die Form eines Frosches zu erkennen. »Verdammt! Warum muss er mir immer wieder die Show stehlen?« Der Fledermausmann legte sein Kostüm wieder ab und verzog sich beleidigt in sein Bett.
Zeitgleich begann es im einsamen Teich zu brodeln. Große Luftblasen stiegen auf. Ein Schatten näherte sich der Oberfläche, bis eine Flugmaschine auftauchte, die an ein kleines Raumschiff erinnerte. Im Innern saß ein anderer, ein größerer Superheld, der über die nötigen Muskeln und Muckis verfügte, jederzeit alles und jeden vor allen möglichen Gefahren zu retten. Es war ein grüner Frosch mit stahlharten Armen und Beinen, der seine Identität hinter einer roten Maske versteckte. Der Mucki-Frosch war auf dem Weg in die Hauptstadt.
»Ich bin in wenigen Minuten bei ihnen, Mr. President.«, gab über das Videofon durch. »Halten sie nur noch ein paar Minuten durch. Ich werde die Situation schnell unter Kontrolle bringen.«
Das Fluggerät stieg in Höhe. Der Mucki-Frosch trat auf das Gaspedal und durchschnitt die Stille der Nacht.
Zehn Minuten später landete der Mucki-Frosch auf der Wiese hinter dem Weißen Haus in Washington, der Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Amerika. Eine Luke öffnete sich, eine kleine Treppe wurde ausgefahren. Der Pilot wartete aber nicht darauf, dass er sie hinab steigen konnte. Er sprang mit einem mächtigen Hüpfer hinaus und lief zum Haus. Der Mucki-Frosch klopfte gegen das Fenster des Oval Office, in dem sich das Büro des Präsidenten befand. Im Innern blieb es aber unerwartet still. Niemand öffnete.
»Mr. President? Ist alles in Ordnung? Sind sie da?« Der Superheld wurde nervös. War er etwa zu spät gekommen? Nein. Das durfte einfach nicht sein. Er hatte noch nie versagt. Das durfte auch dieses Mal nicht passieren. Mit einem gezielten Schlag seiner stahlharten Faust brachte das Fensterglas zum brechen. Dann sprang er in das Büro.
»Mr. President? Wo sind sie?« Der Mucki-Frosch setzte seine High-Tech Nachtsichtbrille auf und sah sich um. Er entdeckte den zitternden Präsidenten zusammengekauert auf dem Schreibtisch sitzen.
»Sie ist dort in der Ecke.«, flüsterte er.
Der Mucki-Frosch nickte lautlos und schlich zum gegenüber stehenden Sofa. Er griff mit der einen Hand das Möbelstück, hob es hoch, als würde es nichts wiegen und schnappte sich die Maus, die sich dort versteckte.
»Die Situation ist unter Kontrolle. Ich habe den Feind dingfest gemacht.«
Der Präsident atmete erleichtert auf. »Sie werden doch sicher verstehen, dass ich noch eine Weile hier sitzen bleibe, bis diese fiese Geiselnehmerin hinter Schloss und Riegel sitzt.«
Der Mucki-Frosch nickte. »Selbstverständlich, Mr. President. Ich kümmere mich darum.«
Er kletterte aus dem Fenster, bestieg seine Flugmaschine und verstaute die Maus in einer Kiste. »Und dich setze ich im Wald wieder aus, wenn du mir versprichst, den Präsidenten nicht noch einmal zu bedrohen.«

(c) 2022, Marco Wittler

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