Die verlorene Weihnachtskugel
Hallo liebes Tagebuch, ich bin es, der Tommi.
Weißt du eigentlich, was wir für eine Jahreszeit haben? Ach nein. Du hast ja keine Kalenderseite. Dann verrate ich es dir. In ein paar Tagen ist Weihnachten. Und genau deswegen hat Papa heute den Baum aufgestellt.
Mit meiner Schwester Nina haben dann Mama und Papa zusammen alles geschmückt. Die Lichterketten kamen zuerst, dann die zerbrechlichen Glaskugeln und zum Schluss das Lametta.
Ich durfte wieder einmal nicht mithelfen. Papa sagt, dass ich noch zu klein wäre und ich die teuren Kugeln kaputt machen könnte. Also sah ich nur zu und langweilte mich.
Später waren die drei dann draußen spazieren. Ich bin nicht mit ihnen gegangen. Ich hatte keine Lust mehr. Wenn ich nicht mit ihnen schmücken darf, will ich mit ihnen auch nicht laufen. So einfach ist das.
Und dann saß ich ganz allein im Wohnzimmer auf dem Sessel und sah auf den geschmückten Baum. Schön war er ja geworden, aber eine der Kugeln saß noch nicht am richtigen Platz. Nur zu gern hätte ich sie umgehängt, aber das durfte ich ja nicht.
Ich überlegte hin und her und hatte am Ende ein richtig schlechtes Gewissen als ich aufstand und es trotzdem tat. Doch als ich die Kugel in der Hand hielt, stolperte ich über den Teppich und fiel hin. Das kostbare Stück flog im hohen Bogen durch den Raum und verschwand durch das offene Fenster.
Ich erwartete bereits das Zersplittern am Boden. Doch das blieb aus. Ich stand auf und sah nach unten. Die Kugel war tatsächlich auf dem Rasen gelandet und heil geblieben.
Sofort zog ich meine Jacke an, lief in den Vorgarten und wollte sie einsammeln, doch da war sie schon fort. Ich sah mich um. Ein paar Meter weiter entdeckte ich eine kleine Katze, die die Kugel mit ihren Pfoten spielend vor sich her schob.
»Lass das Ding liegen und verzieh dich!«, rief ich ihr nach.
Davon ließ sie sich allerdings nicht stören. Also lief ich ihr nach und wollte sie vertreiben. Das Kätzchen erschrak, als ich in sein Fell griff. Die Pfoten wollten die Kugel noch festhalten, schoben sie stattfdessen aber zur Seite. Unser Baumschmuck kullerte die Wiese herab und landete im Bach.
Du meine Güte. Da konnte ich doch unmöglich hinein springen. Dafür war es viel zu kalt. Aber in ein paar hundert Metern Entfernung gab es ein kleine Brücke, von der aus ich die schwimmende Kugel einfangen konnte.
Ich lief so schnell ich konnte, doch dann konnte ich vom Weiten aus sehen, dass Mama, Papa und Nina auf der Brücke standen. Ich konnte also unmöglich die Kugel retten.
Nina sah mich sofort und wurde auch gleich auf das glitzernde Glas im Wasser aufmerksam. Sie grinste über das ganze Gesicht. Sie würde alles verraten. Doch dann griff sie ins Wasser, zwinkerte mir zu und ließ die Kugel in ihrer Jackentasche verschwinden.
Schon kurz, nachdem die Drei wieder zu Hause waren, hing die Kugel wieder am Baum. Manchmal können große Schwestern auch richtig klasse sein.
Dein Tommi.
(c) 2008, Marco Wittler
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