1643. Die alte Vogelscheuche

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Bitte lies meine Geschichten einmal selbst, bevor du sie deinen Kindern vorliest. Sie sind zu Halloween etwas gruseliger, auch wenn sie lustig enden. Bitte bewerte vorher, ob dein Kind die Geschichten bereits versteht, damit umgehen kann und sich nicht zu sehr gruselt.

Die alte Vogelscheuche

Papa und Noah waren spät dran. Sie hatten sich nach dem Fußballtraining noch mit den anderen verquatscht und hatten im Vereinsheim gar nicht bemerkt, dass es draußen langsam dunkel geworden war. Nun waren sie mit Hilfe des kleinen Lichts einer Handytaschenlampe auf dem Weg nach Hause.
»Wären wir doch nur früher nach Hause gegangen.« Noah mochte die Dunkelheit nicht und je näher sie an Halloween war, desto gruseliger kam sie ihm vor. »Was machen wir denn, wenn wir einem Vampir begegnen?«
Papa zuckte mit den Schultern. »Ist kein Problem. Ich habe vorhin noch eine Dönertasche mit extra viel Tsatsiki gegessen. Der Geruch wird jeden Blutsauger von uns fernhalten.« Er überlegte und verzog das Gesicht. Mama wäre wohl auch nicht begeistert und würde ihm später keinen Kuss zur Begrüßung geben.
»Aber wenn e kein Vampir ist, sondern ein Geist?«
»Hast du mal ein Geist gesehen? Die bestehen immer nur aus einem alten Bettlaken mit Löchern drin. Das ziehen wir ihm einfach vom Kopf, schon ist er verschwunden. Wenn das nicht hilft, drohen wir ihm, dass er in der Waschmaschine landet. Geistern wird nämlich schon beim Karussell fahren schlecht. Da sind sie auf eine Waschmaschine besonders schlecht zu sprechen.«
»Und was ist mit einem Werwolf? Wie willst du uns gegen ihn verteidigen?«
Papa lachte. »Werwolf. Lächerlich. Die reagieren sehr allergisch auf Silber.« Er zog den Kragen seines Pullovers etwas herunter. »Ich habe heute meine Silberkette um. Werwölfe hassen diesen Trick.«
»Aber das hilft alles nichts gegen Zombies, die unsere Gehirne fressen wollen.«
»Erinnerst du dich noch an diese Zeichentrickserie über den kleinen Zombie? Die torkeln nur durch die Gegend, sind voll langsam und fallen sofort auseinander, wenn man sie nur anschaut. Wie sollen die uns denn gefährlich werden? Nein, nein, nein. Wir sind absolut sicher. Uns kann niemand etwas antun.«
Noah atmete erleichtert auf. Jetzt ging es ihm schon sehr viel besser. Doch dann zuckten sie Beide heftig zusammen.
Ein lautes Stöhnen kam vom Feld, an dem sie gerade vorbei gingen. In der Dunkelheit erhob sie ein Wesen, das auf sie beide zu gehumpelt kam.
»Ein Zombie!« Noah packte Papa an der Hand und versuchte, mit ihm zu flüchten.
»Bleibt hier!«, rief das Geschöpf der Unterwelt und kam schnell näher.
»Das ist gar kein Zombie.«, war Papa überzeugt, denn in den Ärmeln, den Hosenbeinen und dem Hemdskragen steckte Stroh. »Das ist eine lebendig gewordene Vogelscheuche.«
In ihrer Panik rannten sie los.
»Was soll denn das? Martin, Noah, warum lauft ihr vor mir weg? Wartet doch. Wir können zusammen nach Hause gehen.«
Moment mal. Woher kannte die Vogelscheuche ihre Namen und warum klang die Stimme so vertraut?
Sie bleiben stehen, sahen sich um. Das Wesen kam langsam näher. Im Schein der Handylampe konnte man nun ein Gesicht erkennen.
»Opa? Was machst du denn hier?«
Opa lächelte schief und zupfte sich das Stroh aus den Klamotten. Ich habe heute Nachmittag Strohballen gebunden und bin dabei so müde geworden, dass ich auf dem Feld eingeschlafen bin.«

(c) 2024, Marco Wittler

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