1646. Wenn die Zombies sich aus ihren Gräbern erheben

TRIGGER WARNUNG / CONTENT NOTE:
Bitte lies meine Geschichten einmal selbst, bevor du sie deinen Kindern vorliest. Sie sind zu Halloween etwas gruseliger, auch wenn sie lustig enden. Bitte bewerte vorher, ob dein Kind die Geschichten bereits versteht, damit umgehen kann und sich nicht zu sehr gruselt.

Wenn die Zombies sich aus ihren Gräbern erheben

Es war finstere Nacht. Weder der Mond, noch die Sterne spendeten etwas von ihrem spärlichen Licht, denn der Himmel war durch dicke, schwere Wolken ausgesperrt. Feiner Nebel fiel ununterbrochen zur Erde hinab und ließ die Menschen frösteln. Niemand war mehr auf den Straßen unterwegs. Sie lagen entweder ruhig schlafend in ihren Betten oder wärmten sich an ihren Kaminen, in denen die Feuer wohlig flackerten. Niemand ahnte, was in dieser Herbstnacht geschehen würde.
Die Glocke in der kleinen Friedhofskapelle begann zu schlagen. Doch kein einziger Gong drang in die Ohren eines Lebenden. Die Toten nahmen sie dafür umso besser wahr.

Eins, zwei, der Zombie liebt Gehirn im Brei.
Drei, vier, er schleicht schon vor der Tür.
Fünf, sechs, heut’ macht er keine Gags.
Sieben, acht, er öffnet deinen Schädel heut mit Macht.
Neun, zehn, wag es nicht ins Bett zu geh’n
elf, zwölf, darauf reimt sich nur noch drölf.

Mitternacht. Die Geisterstunde hatte begonnen. Als hätte dieser Zeitpunkt eine wichtige Bedeutung, als wäre nur darauf gewartet worden, tat sich etwas auf dem Friedhof. Es begann im Kleinen, kaum wahrnehmbar. Der Boden erzitterte wie ein leichtes Kribbeln. Erdklumpen bewegten sich. Waren da etwa Regenwürmer auf der Flucht vor einem hungrigen Maulwurf?
Plötzlich rissen die Böden über den Gräbern auf. Faulige Hände stießen ins Freie. Die mal mehr, mal weniger mit schimmligen Fleisch überzogenen Handknochen stützten sich ab und halfen den restlichen Körpern, sich ins Freie zu kämpfen.
Halb verweste Geschöpfe klopften sich den Dreck aus ihren zerschlissenen Kleidern. Sie sahen sich um, entdeckten, dass sie nicht allein waren. Wie auf ein unhörbares und unsichtbares Zeichen sammelten sie sich vor der Kapelle, die sie erweckt hatte. Humpelnd und stöhnend setzten sie sich nun gemeinsam in Bewegung. Sie verließen den Friedhof und bewegten sich auf die nahe Stadt zu. Geschickt wichen sie dabei den wenigen Straßenlaternen aus, um nicht zu früh von ihren Opfern entdeckt zu werden. Sie blieben in den dunklen Schatten.
Kurz darauf kamen sie an den ersten Häusern vorbei. Die Zombies warfen gierige Blicke durch die Fenster, suchten nach Schwachstellen in den Türen. Irgendwo musste es Menschen geben, die in dieser Nacht nicht vorsichtig genug waren und mit Leichtigkeit überfallen werden konnten.
Vor dem Rathaus kam es zur ersten Begegnung zwischen den Lebenden und den Untoten. Ein paar Jugendliche, die die Halloweennacht im Freien verbringen wollten, wurden am Brunnen schneller umzingelt, als sie überhaupt an das Wort Hilfe denken konnten.
Die Zombies kamen näher. Die Abstände zwischen ihren bestialisch stinkenden Körpern wurden immer kleiner. An eine Flucht war nicht mehr zu denken.
Nun riefen die Teenager doch um Hilfe, es nahm sie aber niemand war. »Wir brauchen etwas, womit wir uns verteidigen können. War da nicht mal etwas mit Knoblauch oder Silberkugeln?« Gute Idee, doch nach Ladenschluss nur noch schwer zu besorgen. Selbst Steine und Holzpflöcke waren auf dem Rathausplatz Mangelware.
»Wir werden hier alle sterben!«
Zur gleichen Zeit erwachte die Friedhofswärterin in ihrem kleinen Häuschen. Der Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie verschlafen hatte.
»Oh nein!« Sie sprang auf, schlüpfte schnell in ihre Klamotten und rannte raus. Sie hatte die offenen Gräber erwartet, sie zu sehen, versetzte ihr trotzdem eine Gänsehaut.
»Nein, nein, nein. Ich hab sie nicht rechtzeitig aufgehalten. Ich muss schnell in die Stadt, bevor sie sich an den Menschen vergehen.«
Sie öffnete ihre Umhängetasche, prüfte ihre Ausrüstung, die sie nur zu Halloween brauchte und stürmte los. Zum Glück war der Weg in die Stadt nicht weit. Die Zombies in den verwinkelten Straßen und Gassen zu finden schon schwieriger. Ein Schrei wies ihr schließlich den richtigen Weg.
Auf dem Rathausplatz trennten die Menschen und die Untoten nur noch wenige Zentimeter. Sie konnten in den Körpern der Zombies bereits Käfer und Maden krabbeln sehen. Jetzt war der allerletzte Zeitpunkt, um noch einzugreifen, um Verletzungen oder mehr zu verhindern.
»Süßes oder Saures!«, rief die Friedhofswärterin. Sie hielt ihre Tasche weit über ihren Kopf, drehte sie um und kippte den Inhalt aus. Schokoladen, Bonbons und Karamellen fielen auf den Boden.
Gierig wandten sich die Zombies von ihren Opfern ab, stürzten sich auf das Naschwerk und stopften es in sich hinein. Ein paar von ihnen humpelten zu großen Schalen, die abseits standen und nun erstmals von Scheinwerfern ins Rampenlicht gebracht wurden. Sie griffen hinein und warfen sie Leckereien ins Publikum, dass nun begeistert applaudierte.
Das Gruseltheater hatte seinen Höhepunkt erreicht und ging damit auch zu Ende. Die schaurig geschminkten Darsteller verneigten sich, während der Vorhang sich langsam schloss.
Die jährliche Halloween Aufführung der städtischen Schauspieltruppe unter freiem Himmel war immer das Highlight vor der Winterpause.

(c) 2024, Marco Wittler

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