307. Von Seesternen und Glühwürmchen

Von Seesternen und Glühwürmchen

Es war ein schöner und warmer Abend am Meer. Die Menschen feierten große Feste und die Tiere gingen ihren ganz alltäglichen Geschäften nach.
Und dann war da noch ein kleines Glühwürmchenmädchen mit Namen Merle.
Merle flog, wie jeden Abend gemütlich den Strand entlang und erfreute sich am Rauschen des Meeres und der untergehenden Sonne.
»Ist das nicht ein schöner Abend?«, fragte sich sie selbst.
»Das ist sogar ein sehr schöner Abend.«, gab sie sich sogleich die Antwort.
In diesem Moment zog ein unerwarteter Wind auf und blies das Glühwürmchen hinaus aufs Wasser.
»Du meine Güte.«, wunderte sich Merle und bekam Angst.
»So etwas ist mir ja noch nie passiert.«
Sie sah sich schnell um und entdeckte den Strand.
»Ich muss schnell zurück, sonst werde ich noch im Wasser landen und ertrinken.«
Also schlug sie kräftig mit den Flügeln und kämpfte sich durch den Wind. Aber noch bevor sie ihr Ziel erreichte, sah sie ein Glitzern unter sich.
»Was ist denn das?«
Merle hielt inne und schwebte etwas tiefer. Sie konnte nicht erkennen, was es war, aber es faszinierte sie.
»Es ist wunderschön.«
Dann flog sie weiter und rettete sich ans Ufer.

Zur gleichen Zeit lag ein einsamer Seestern am Grunde des Meeres und langweilte sich fast zu Tode. Sein Name war Theodor.
»Mir ist ja sooo langweilig. Wenn doch bloß mal etwas geschehen würde. Aber in diesem Teil des Meeres passiert ja leider nie etwas.«
Er träumte schon davon, dass eines Tages ein Schiff gegen ein Riff fahren und sinken würde.
»Wenn hier doch bloß ein Riff wäre. Aber leider besteht der ganze Meeresboden nur aus Sand und kleinen Steinen. Es ist zum Verzweifeln.«
In diesem Moment sah er ein Licht über sich hinweg fliegen. Genau über seinem Kopf blieb es kurz stehen, kam näher und setzte seinen Weg dann fort zum Ufer, wo es dann verschwand.
»Ui, was war denn das? Es geschieht ja doch noch was. Aber leider ist es schon wieder fort. Dabei war es so wunderschön. Vielleicht sollte ich es suchen.«
Also machte sich Theodor auf den Weg zum Strand.

Am nächsten Abend flog Merle wieder über den weiten Strand.
»Ob dieses glitzernde Ding noch da ist? Vielleicht sollte ich noch einmal auf das Wasser hinaus fliegen. Hoffentlich sieht mich dabei niemand.«
Merle schlug kräftig mit den Flügeln und wollte gerade Richtung Meer fliegen, als sie etwas Glitzerndes auf einem Stein am Ufer entdeckte. Sofort flog sie hin und betrachtete es genau.
»Es ist ein kleiner Glitzer.«, rief sie begeistert.
»Ich bin ein Seestern.«, beschwerte sich Theodor und stemmte seine Fäuste in die Seiten.
»Und was bist du? Ein fliegendes Licht?«
Merle musste lachen.
»Nein. Ich bin ein Glühwürmchen.«
Sie landete neben dem Seestern, stellte sich höflich vor und berichtete von ihrem Flug über das Meer am Tag zuvor.

Die Zeit verging viel zu schnell. Es wurde tiefe Nacht und ein paar Stunden später ging die Sonne schon wieder auf. Und ehe es sich die beiden versahen, hatten sie sich ineinander verliebt.
»Aber wie soll das denn mit uns funktionieren?«, fragte Theodor verzweifelt.
»Ich bin ein Meeresbewohner und werde an Land vertrocken. Dafür kannst du im Wasser nicht atmen und wirst ertrinken. Wir werden nie zusammen leben können.«
Daran hatte Merle auch schon gedacht.
»Wir müssen einfach einen Ort finden, wo wir zusammen sein können. Und den werde ich jetzt suchen.«
Sie versprach, bis zum Abend wieder da zu sein.

Merle flog in die Luft. Sie flog so hoch, wie sie es noch nie in ihrem Leben getan hatte. Sie hoffte, das Land unter sich besser überblicken zu können. Allerdings fand sie kein geeignetes Plätzchen zum Leben für einen Seestern und sein Glühwürmchen.
»Was soll ich denn bloß machen? Ich liebe ihn doch so sehr. Mein Herz will gar nicht mehr ohne ihn sein.«
In diesem Moment wurde Merle von einer Eule überholt.
»Hallo Eule, kannst du mir denn nicht helfen?«
Die Eule hielt an und ließ sich vom Glühwürmchen die tragische Geschichte erzählen.
»Nana, mein Kind. Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich weiß genau, wonach du suchst.«
Die Eule wies Merles Blick nach oben.
»Da oben ist der Himmel. Er ist auch ein Meer. Ein Meer für Sterne. Aber er hat kein Wasser. Deswegen wirst du dort auch nicht ertrinken können.«
Merle bekam große Augen und bedankte sich bei der Eule. Dann flog sie, so schnell sie konnte, zu Theodor zurück. Sie verriet ihm ihren Plan und drückte ihn fest an sich.
»Wir werden gemeinsam zum Himmel hinauf fliegen und dort zusammen leben.«
Und so geschah es dann auch. Bei Einbruch der Dunkelheit flogen sie zusammen zum Himmel hoch, von wo aus sie nun in jeder Nacht zur Erde hinunter leuchten.

(c) 2010, Marco Wittler

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