1028. Flaschenpostbote Knut, der Fischer und dessen Frau

Flaschenpostbote Knut, der Fischer und dessen Frau

Flaschenpostbote Knut zog sich die blaue Jacke über, strich die Ärmel glatt und sah sich prüfend im Spiegel an. Etwas fehlte da noch. Ach, ja. Die passende Schirmmütze gehörte unbedingt auf den Kopf. Er legte den breiten Ledergürtel und seine große, schwere Tasche um. Zuletzt rückte er den Seestern auf der Brust zurecht und nickte endlich. Er war fertig und konnte in den Tag starten.
Der Meermann, verließ er sein Haus und schwamm los. Ihm folgte ein großer Krake, der die restlichen Taschen in seinen Armen hielt. Die Flaschenpost musste ausgeteilt werden. Sein Weg führte ihn wie immer zuerst zur nahen Grundschule, wo die Kinder am Zaun schon auf ihn warteten.
»Knut! Fiete! Enno!«, stürmten sie laut rufend auf die Drei zu. »Könnt ihr uns eines eurer verrückten Erlebnisse erzählen?«
Knut strich sich seinen Schnurrbart zurecht, dachte kurz nach und begann zu grinsen.
»Mir fällt da etwas ein. Ich habe vor ein paar Tagen einen Betrüger überführt. Davon werde ich euch jetzt berichten.«
Auf dem Schulhof wurde es mucksfischchenstill, als Knut zu erzählen begann.

Flaschenpostbote Knut entspannte sich nach einem langen, harten Arbeitstag. Ihm schmerzte nicht nur seine Schwanzflosse, sondern heute auch der Rücken. Da er niemanden gefunden hatte, der ihm Letzteren massierte, hatte er sich entschieden, dies von der Natur erledigen zu lassen. Er war zur Meeresoberfläche geschwommen und trieb nun auf ihr. Die Wellenbewegungen taten ihm richtig gut.
Während der Flaschenpostbote dort lag, und die Aussicht auf die dahin ziehenden Wolken genoss, hörte er plötzlich die Stimme eines Menschen.

»Manntje, Manntje, Timpe Te,
Buttje, Buttje inne See,
myne Frau die Ilsebill
will nich so, as ik wol will.«

Knut schrak hoch. Hatte man ihn entdeckt? Er sah sich panisch um, war bereit, sofort wieder im Meer zu verschwinden, bis er das kleine Fischerboot entdeckte, das einige Meter von ihm entfernt dümpelte. Der Mann, den er gehört hatte, saß darin. Vor ihm schwamm ein mächtiger, beinahe drei Meter langer Heilbutt.
Der Mann klagte dem Fisch sein Leid, sprach von den vielen Wünschen, die seine Frau an den erst kürzlich frei gelassenen Heilbutt hatte und die dieser erfüllen solle. Die Rede war von Gold, von riesigen Schlössern, Königreichen und mehr.
Knut seufzte. Eigentlich wollte er das alles gar nicht sehen. Aber dann packte ihn sein schlechtes Gewissen und er schwamm hinüber zu den Beiden.
»Was soll das denn hier werden?«, sagte er mit lauter, fester Stimme.
Die Beiden sahen den Meermann überrascht an, hatten sie ihn doch nicht kommen hören.
»Ich … ähm …«, stotterte der Fisch. »Also die Sache ist die, dass der Fischer mich gefangen und wieder frei gelassen hat. Dafür hat er nun einen Wunsch frei. Aber seine Frau die Ilsebill will eben nicht so wie er will. Sie will ständig mehr.«
Knut seufzte und blickte dem Fischer ernst in die Augen.
»Hat der Fisch dir erzählt, er wäre ein verwunschener Prinz?«
Der Fischer nickte eifrig.
»Da bist du ihm aber ganz schön auf den Leim gegangen. Das erzählt er jedem, von dem er sich absichtlich fangen lässt. Er macht sich einen Spaß daraus, menschlichen Fischern das Leben mit der Ehefrau zu versauen.«
Der Heilbutt bekam einen roten Kopf. »Ich glaube, es wird Zeit von der Bühne zu verschwinden.« Er tauchte ab.
»Und hör endlich auf, die Menschen auf den Arm zu nehmen.«, rief ihm Knut noch nach. »Und dir, mein menschlicher Freund, solltest jetzt nach Hause fahren und deiner Frau erklären, der Fisch wäre nach den vielen Wünschen so sauer geworden, dass er alle wieder zurück genommen hätte. Das wird eh bald geschehen. Die sind nämlich wie Luftblasen und lösen sich schneller auf, als man Buttje, Buttje sagen kann.«

Die Kinder der Grundschule sahen den Flaschenpostboten mit großen Augen an. Sie konnten Knut diese Geschichte nur sehr schwer glauben. Das alles klang doch sehr nach einem Märchen.
»Ihr könnt mir glauben, alles was ich erlebt haben, ist wahr.«

(c) 2021, Marco Wittler

Bild: Nik Karlov auf Pixabay

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