Die Zahnfee bekommt Hilfe
Es vibrierte in der Handtasche der Zahnfee. Sie griff hinein, holte ihr Handy heraus uns las die neueste Nachricht, die gerade aus der Zentrale gekommen war. Darin stand, dass ein Kind auf der Erde wieder einen Zahn verloren und seinem Kopfkissen versteckt hatte.
»Es ist Zeit für einen neuen Einsatz.«
Sie steckte das Handy wieder ein, holte eine Prise Zauberstaub einem Beutel an ihrem Gürtel und ließ ihn auf sich rieseln. Nur Augenblicke später begann sie zu schweben und flog davon.
Geschwind wie der Wind brauste sie durch die Wolken, flog über Wälder hinweg und im Slalom um zwischen Bergen hindurch. Kein Unwetter konnte sie aufhalten, keine von ihrem Ziel abhalten.
Die Zeit verstrich. Es wurde langsam dunkel und die Sterne begannen über ihr zu funkeln. Es wurde Nacht.
Das Kind, das den Zahn verloren hatte, sollte mittlerweile schlafen, immerhin hatte eine nahe Kirchturmglocke zur Mitternacht geschlagen. Die Zahnfee bremste ihren Flug, blieb vor einem Fenster stehen und schwebte einfach hindurch, als würde es keine Glasscheibe geben.
Sie sah sich um. Das Bett stand in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers. Das Kind, ein kleiner Junge, lag unter seiner Decke und schlief tief und fest. Auf Zehenspitzen schlich die Zahnfee hin, wollte gerade unter das Kissen greifen, als sich der Kopf in ihre Richtung drehte.
»Verdammt! Ich komme nicht ran.«
Sie versuchte es von der anderen Seite. Wieder kam ihr der Kopf entgegen. Der Junge ließ ihr keine Chance.
»Wie soll ich denn nur den Zahn gegen einen Taler austauschen? Das ist mir ja noch nie passiert.«
Sie setzte sich auf den Stuhl, der am Schreibtisch stand und dachte nach, bis hinter ihr ein schwaches Licht zu glimmen begann. Die Zahnfee drehte sich um und sah auf der anderen Seite einen kleinen Geist, der sie anlächelte.
»Brauchst du Hilfe?«, flüsterte er und glitt durch das Glas. »Bist du hier eingesperrt und kommst nicht wieder raus?«
Die Zahnfee schüttelte den Kopf. »Ich bin die Zahnfee und wollte hier einen Taler gegen einen Zahn eintauschen, aber ich komme nicht dran.«
Der Geist schwebte zum Bett, ließ eine Hand durch das Kopfkissen gleiten, als würde es nicht existieren und griff nach dem Zahn. Doch auch er konnte des begehrte Stück nicht greifen.
Er wurde rot um die Wangen. »Ich habe ganz vergessen, dass ich als Geist nichts berühren oder aufnehmen kann. Jetzt weiß ich auch nicht weiter.«
Da hob sich der Kopf des Jungen. Er sah zum Geist und dann zur Zahnfee und seufzte.
»Wenn ihr mir versprecht, dass ihr sofort von hier verschwindet und mich endlich schlafen lasst, gebe ich euch meinen Zahn. Ihr müsst mir auch keinen Taler dafür geben. Aber hört bitte auf, so laut in meinem Zimmer zu quatschen. Das weckt sogar Tote auf.«
Er griff unter sein Kopfkissen, holte den Zahn hervor und drückte ihn der Fee in die Hand.
»Da drüben ist das Fenster. Ich wünsche euch noch eine gute Nacht.«
Er legte seinen Kopf zurück, schloss die Augen und schlief ein.
(c) 2021, Marco Wittler
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