Gift, Katzenfutter und wir
Es war eine lange und dunkle Nacht. Das lag nicht daran, dass wir nicht schlafen gegangen waren. Im Gegenteil. Wir hatten sogar sehr lange in dieser dunklen Nacht geschlafen. Sie war so langweilig und ereignislos, dass es keinen Grund gab, sie zu erleben. Wir wären wohl an extremer Langeweile verstorben. Also hatten wir uns mit Schlafen über Wasser gehalten.
Doch wie es jeder Nacht einmal ergeht, so war es auch mit dieser. Sie endete mit dem Morgengrauen und dem ersten Sonnenstrahl, der sich mutig über den Horizont wagte.
Noch ganz müde von dieser anstrengenden Nacht, stand ich langsam auf, buckelte meinen Rücken und gähnte so laut, dass der Rest der WG hoch schreckte.
Ich verdrehte die Augen. Warum mussten die anderen Katzen meines Rudels nur so schreckhaft sein?
Ich kletterte vom obersten Podest meines Kratzbaums herab. Mit einem lauten Rumms ließ ich mich den letzten Meter fallen und trottete anschließend zur Futterstelle. Ich freute mich schon auf ein leckeres Frühstück.
Doch was war das? Die Schüsseln waren leer. Unmut machte sich bei mir und den anderen Katzen breit. Das waren wir nicht gewohnt. Wollte man uns verhungern lassen? Ich begann, laut zu miauen. Die zwei Menschen hier, der Mann und die Frau, sollten genau hören, dass wir unzufrieden mit dem heutigen Service waren.
Schon Sekunden später stand der Mann mit einem Tablett vor uns. Darauf standen mehrere Schüsseln, die er hoffentlich bis zum Rand gefüllt hatte. Mein stattlicher Körper gab sich niemals mit halben Portionen ab.
Er stellte die Schüsseln auf den Boden. Schon stürzten wir uns darauf, schreckten dann aber in letzter Sekunde zurück.
Verständnislos sah ich den Mann an. Was war das? Was wollte er uns da unterjubeln? Hatte er den Verstand verloren?
Die anderen Katzen, also mein Bruder Lord Schweinenase, die Mini-Mietze und der Bengale waren meiner Meinung. Das, was man uns hier vorsetzen wollte, war eine Frechheit. Wollte man uns mit minderwertiger Ware vergiften? So etwas hatten wir auf keinen Fall bestellt.
Ich stampfte mit der Pfote laut auf und knurrte. Der Mann sah mich nur verständnislos an. Er kapierte nicht, was er uns angetan hatte.
Die Frau kam herein, sah, was hier vor sich ging und schüttelte den Kopf. Sie schimpfte mit ihrem Artgenossen und sammelte sofort die Schüsseln wieder ein.
»Du weißt genau, dass unsere Katzen nur Futter in weißer Soße fressen. Wie oft soll ich dir das noch erklären?«
Genau! Sie hatte es erfasst. Weiße Soße. Das Gold eines jeden Katerfrühstücks. Etwas anderes kam uns nicht in die Schüsseln.
Sie kümmerte sich sofort um neues Nassfutter, das wir genüsslich in uns hinein stopften.
(c) 2021, Marco Wittler
Image by GraphicMama-team from Pixabay
Antworten