Der Mucki-Frosch rettet die Welt
Ein dunkler Schatten schob sich über die Erde. Wer gerade im Freien oder am Fenster stand, dachte an den Beginn einer Sonnenfinsternis. Astronomen, Sternenforscher und Raumbehörden rund um den Planeten waren sofort alarmiert. Dieses Naturspektakel sollte es zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht geben.
In sämtlichen Sternwarten wurden die Teleskope neu ausgerichtet, Radaranlagen schickten ihre Strahlen ins All. Näherte sich ein bisher unentdeckter Asteroid, vielleicht ein Komet der Erde und würde durch einen Einschlag eine Katastrophe auslösen? War noch genug Zeit, die Welt zu retten oder war es bereits zu spät?
»Das … das darf nicht wahr sein.« Ein Mitarbeiter der NASA starrte ungläubig auf seinen Monitor. Die Übertragung eines Überwachungssatelliten zeigte ein kugelförmiges Raumschiff, dass es auf fast zwanzig Kilometer im Durchmesser brachte. Riesige Waffentürme verteilten sich über die gesamte Oberfläche. »Wenn die uns angreifen, sind wir sowas von im Eimer.«
Ein Mann in Uniform, ein hochrangiger General kam in den Raum gestürmt. »Schaltet das Fernsehprogramm ein. Auf allen Frequenzen und allen Sendern kommt ein Signal herein.«
Das Bild des Kugelraumschiffs verschwand vom großen Schirm an der Wand und wich einem Wesen, dass einem Flusspferd nicht unähnlich sah. Es steckte in einem dunkelgrauen Raumanzug und hatte eine Brille vor den Augen, auf deren Gläsern unbekannte Zeichen von unten nach oben huschten.
»Hier spricht Admiral Schnaub des Hippo Imperiums. Mir untersteht die erste Hippo-Flotte, die in Kürze hier eintreffen wird. Alle menschlichen Völker werden aufgefordert, ihre Waffen auszuliefern, sich uns zu ergeben und ihre nationalen Regierungen aufzulösen. Ab sofort untersteht die Erde meinem Kommando. Wir werden keinen Widerstand dulden. Sie haben eine stunde Zeit, sich uns zu unterwerfen, ansonsten lassen wir die Waffen sprechen.«
Die Übertragung wurde beendet. Auf dem Wandschirm erschien wieder das Raumschiff, das offensichtlich nicht das Einzige bleiben sollte.
Die Leute im Kontrollraum der Raumfahrtbehörde sahen sich verängstigt an. Was sollte sie unternehmen? Gab es überhaupt auch nur eine kleine Chance, sich gegen diesen übermächtigen Gegner zu wehren? Um die Forderung und das Ultimatum zu unterstreichen, begannen die Waffenmündungen des Raumschiffs zu leuchten.
»Ich muss mit dem Präsidenten sprechen. Das kann und darf ich nicht allein entscheiden.« Der General verließ panisch den Raum, lief in sein Büro und hob zum ersten Mal den Hörer seines roten Telefons ab. Damit konnte er eine Direktverbindung zum Präsidenten herstellen.
»Sie haben die Übertragung gesehen, Sir? Irgendwelche Anweisungen?« Der General hörte eine Weile zu, während sein Blick immer entsetzter wurde. »Aber Sir, wir können doch nicht einfach hier rumsitzen und abwarten. Wir müssen uns wehren.« Aber der Präsident ließ keinen Widerspruch zu. Er hatte eigene Pläne.
Im weißen Haus in Washington stand der Präsident am Fenster. Mit düsterer, sorgenvoller Miene sah er zu, wie sich der Himmel immer mehr durch das riesige Raumschiff verdunkelte.
»Herr Präsident?« Ein Berater war lautlos in das Büro gekommen. »Haben Sie Anweisungen für mich?«
Der Präsident ließ seinen Blick noch einmal über die Stadt schweifen. Er wollte dieses Bild unbedingt in Erinnerung behalten. Vielleicht würde es hier nach einem Angriff nie wieder so aussehen.
Er drehte sich um, griff in die Hosentasche und holte einen kleinen Schlüssel hervor. »Es ist an der Zeit zu handeln. Ich werde eine Waffe einsetzen, von der ich gehofft hatte, dass ich sie niemals zum Einsatz bringen müsste. Aber anscheinend ist die Tag heute gekommen.«
Der Präsident steckte den Schlüssel in einen Schlitz am Rand des Schreibtischs, machte ein paar tiefe Luftzüge und drehte ihn. »Mögen uns die zahlreichen Götter der Erde beistehen.«
Das weiße Haus erzitterte. Irgendwas geschah. Auf dem Dach öffnete sich eine riesige Luke. Ein überdimensionierter Scheinwerfer wurde nach oben gefahren. Kurz darauf flammte das Licht auf und traf das Raumschiff. Auf der Außenhülle wurde eine unscharfe Silhouette abgebildet.
„Jetzt kann uns nur noch ein Superheld mit ganz dicken Muckis helfen.“
„Aber wer, Mr. President? Rufen wir Batman? Den unglaublichen Hulk? Chuck Norris?“
Der Präsident lachte grimmig. „Kinohelden können die Welt nicht retten. Wir brauchen jemanden mit echten, mit stahlharten Muckis. Wir brauchen den Mucki-Frosch.“
Auf dem Raumschiff war nun klar und deutlich die Silhouette eines Froschs zu erkennen.
Das Bild eines lang verstorbenen Präsidenten glitt an der Wand herab und machte einem Monitor Platz.
»Ich bin schon auf dem Weg, Sir.« Eine Person, die in einem Astronautenanzug steckte, wurde sichtbar. Moment! Eine Person? Ein Mensch? Nein! Der Berater wurde bleich im Gesicht. Das war ein Frosch. »Ich werde um die Sache kümmern. Keine Sorge, das dauert nicht lange.«
Der Frosch bestieg ein kleines Raumshuttle. Die Darstellung auf dem Monitor wechselte in das Innere des Cockpits, in dem bereits ein Storch saß. »Wir sind so weit.«, sagte der Vogel. »Die Systeme sind alle online. Ich werde den Mucki-Frosch sicher ins Zielgebiete fliegen.« Er setzte eine alte Fliegerbrille auf und hob zur Bestätigung einen Daumen in die Kamera, während der Mucki-Frosch nur zu gern seine großen Muskeln anspannte.
Noch bevor das einstündige Ultimatum abgelaufen war, erreichte das Shuttle das fremden Raumschiff. Durch seine geringe Größe, war es der Überwachung der Außerirdischen entgangen. Es landete auf der Oberfläche zwischen zwei Gefechtstürmen. Während der Storch den Antrieb abschaltete, stieg der Frosch bereits aus, schlug mit seinen stahlharten Fäusten auf das Raumschiff ein und verschaffte sich auf diese Weise einen Zugang.
»Ich bin drin. Jetzt kaufe ich mir dieses Flusspferd oder was auch immer es sein mag. Es wird noch den Tag verfluchen, an dem es zur Erde aufgebrochen ist.« Er zog sich seinen Raumanzug aus, ließ seine Muskeln spielen und lief los. Er wusste zwar nicht, wo sich die Kommandobrücke befand, verließ sich aber auf sein Gefühl. Zur Not würde er sich ein Besatzungsmitglied schnappten und es dazu zwingen, diese Information auszuplaudern.
Immer tiefer dran der Frosch in das Raumschiff ein. Im Zentrum der riesigen Kugel erreichte er sein Ziel. Mit einem gezielten Schlag brachte er das Zugangsschott zum Einsturz. Während letzte Funken aus der Wand kamen, stand der Frosch bereits vor Admiral Schnaub. »Hör mal zu, Dicker. Ich habe etwas dagegen, dass du die Erde ohne meine Erlaubnis überfällst. Das finde ich sehr unhöflich. Also mach dich gefälligst mit deiner Flotte vom Acker, bevor ich richtig böse werde.«
Das Flusspferd beugte sich überrascht nach vorn und sah auf den Frosch nieder. »Moment mal!« Der Admiral blickte sich um. »Wer hat dieses kleine Ding hier herein gelassen? Kann mal bitte jemand einen Handfeger und eine Dreckschüppe holen und das weg machen?« Er lachte. »Pass mal auf, Kleiner. Ich habe zu tun. Ich muss heute noch eine Welt erobern. Wenn du nicht von meinem großen Fuß zertreten werden willst, dann verschwindest du ganz schnell zurück in das Los, aus dem du gekrochen kamst.«
Er hob seinen Fuß und hielt ihn über das kleine, grüne Tier. Doch das ließ sich nicht davon beeindrucken. Der Mucki-Frosch griff danach, hielt dagegen und zog den Admiral aus dem Kommandosessel. Er sprang auf dessen Brust, drückte ihm die Luft aus den Lungen und blickte grimmig in dessen Augen.
»Ich glaube, wir können das auch ohne Gewalt lösen. Ich habe nämlich etwas dagegen, jemand unnötig weh zu tun.« Der Frosch spannte noch einmal die Muskeln an, zeigte seine kräftigen Arme und Beine. Noch einmal machte er einen Sprung auf dem Brustkorb seines Gegners, der laut röchelte.
»Verstanden!«, antwortete der Admiral stöhnend. »Wir ziehen uns zurück.«
Mucki-Frosch nickte und zog sich zurück. »Wenn ich eure Schrottkugeln noch einmal in unserem Sonnensystem sehe, werde ich nicht mehr so freundlich bleiben.«
Er ging zum Shuttle zurück und kontaktierte den Präsidenten. »Sir, die Angelegenheit ist geklärt. Die Erde wird heute nicht erobert. Wenn sie sonst keine weiteren Aufträge für mich haben, werde ich mich mit meinem Piloten in meinen geheimen Stützpunkt zurückziehen.«
Kurz darauf flog das Shuttle zur Erde, während das Kugelraumschiff das Weite suchte.
(c) 2022, Marco Wittler
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