1474. Das Monster aus einer anderen Welt

Das Monster aus einer anderen Welt

»Captain, wir nähern uns dem Zielplaneten. Wir fallen in wenigen Sekunden aus dem Hyperraum zurück ins Normaluniversum.«
Die flinken Finger des Steuermanns flitzten über die Bedienflächen des Raumschiffs. Die ständigen Hintergrundgeräusche veränderten sich. Die Streifen, die seit Tagen auf dem großen Hauptschirm zu sehen waren, wurden kürzer und schrumpften schließlich zu kleinen Punkten, den Sternen, zusammen.
Der Navigator am Nachbarpult warf einen Blick auf seine Kontrollen und nickte zufrieden. »Punktlandung würde ich sagen. Den Kurs hätte niemand besser berechnen können.«
»In Ordnung.« Der Captain erhob sich aus seinem Sessel und zog die rote Uniform straff. Viel zu lange hatte er untätig an diesem Platz gesessen. Es wurde Zeit, sich in einer neuen, bisher unerforschten Welt die Füße zu vertreten. Er drückte mit dem Finger auf ein Kommunikationsgerät, das an seiner Brust befestigt war. »Das Außenteam trifft sich im Hangar. Wir fliegen mit dem Shuttle zur Oberfläche. Ein neues Abenteuer wartet bereits auf uns.«
Er wandte sich an seinen Stellvertreter, der bereits Einwände vorbringen wollte. »Ja, ich weiß, was sie sagen möchten. Die Vorschriften besagen, dass der Kommandant an Bord bleiben sollte und der erste Offizier die Missionen leitet. Aber ich brauche etwas Abwechslung von der Routine. Sie bleiben hier, ich fliege runter auf den Planeten.«

Gesagt, getan. Eine halbe Stunde später setzte das Shuttle auf der Oberfläche auf. Die Crew stieg mit Analysegeräten in den Händen aus und nahm die nähere Umgebung unter die Lupe. Die einen Wissenschaftler untersuchten Pflanzen, die anderen sahen sich kleine Tiere genauer an, die den irdischen Insekten ähnlich waren.
»Sir!« Der Captain wurde von einer aufgeregten Stimme gerufen. Er blickte sofort auf. »Ich bin gerade auf eine Höhle gestoßen, die nicht so aussieht, als wäre sie natürlich entstanden. An den Wänden sind eindeutige Spuren von Werkzeugen zu sehen.«
Die Wissenschaftler ließen ihre Geräte sinken. Gab es hier tatsächlich Lebensformen, bei denen man von Intelligenz sprechen konnte? Davon hatte nichts in den ersten Berichten den Sondenüberwachung gestanden. Das waren ganz neue Nachrichten.
»Wir sehen uns das genauer an.« Der Captain winkte den Crewmitgliedern. Die Leute setzten sich in Bewegung. »Ihr kennt die Abläufe. Wenn wir jemandem begegnen, werden wir ihm friedlich entgegentreten. Jeder verzichtet bewusst auf Handlungen, die bedrohlich wirken könnten.«
Die Vorschriften waren allen klar. Trotzdem war es wichtig, sie sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, um keine Fehler zu machen.
Sie erreichten den Eingang der Höhle. Die Spuren waren nicht zu übersehen. Hier waren modernste Werkzeuge zum Einsatz gekommen. Die Höhle war auf keinen Fall natürlich entstanden. Jemand hatte sich in den Fels gegraben.
»Lampen einschalten, wir gehen rein.«
Noch bevor der Trupp auch nur einen Fuß in das Innere setzen konnten, hörten sie ein lautes Brüllen. Wenige Augenblicke kam ihnen ein riesiges, haariges Etwas mit langen, spitzen Hörnern auf dem Kopf entgegen gestürmt.
»Ein Monster! Sofort weg hier!« Der Captain lief an seinen Leuten vorbei und steuerte auf das Shuttle zu. Die anderen folgten ihm auf dem Fuß.
»So ein verdammter Mist!« Das Monster war außer sich und fluchte so schlimme Schimpfwörter, dass sich die Raumfahrer die Ohren zuhalten mussten. »Jetzt habe ich schon extra die Erde verlassen, um an einem Ort zu leben, an dem ich meine Ruhe habe, dann kommt ihr mir auch noch hinterher. Verschwindet gefälligst von hier und lasst euch nie wieder blicken.«
Der Landetrupp sprang in das Shuttle. Sie flogen, so schnell es der Antrieb zuließ, zum Raumschiff zurück und setzten einen Kurs zur Erde.
Das Monster sah ihnen von seinem Planeten aus nach. Als es die Menschen nicht mehr sehen konnte, atmete es erleichtert auf. »Puh. Glück gehabt. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte ich ihnen nicht so viel Angst eingejagt. Dabei habe ich noch viel mehr Angst vor den Menschen, als sie vor mir.«
Es ging langsam zur Höhle zurück und überlegte sich, wie es dem Eingang eine bessere Tarnung verpassen konnte, um bei einem weiteren Besuch nicht mehr entdeckt zu werden.

(c) 2023, Marco Wittler

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