1514. Die Dinobrille

Die Dinobrille

Dino hatte es endgültig satt. Ständig stieß er bei seinen Spaziergängen mit seinen Füßen gegen Baumstämme oder Felsen und prellte sich seine empfindlichen Zehen. Seine Augen waren in den letzten Monaten so schlecht geworden, dass er aus der Höhe heraus nichts mehr scharf erkennen konnte.
»Die kleinen Dinos bewundern mich immer, dass ich als Langhals so groß bin, sich niemand mit mir anlegen mag, aber es hat halt auch Nachteile.«
Dino machte sich auf den Weg zum Augenarzt. Dieser war ein waschechter Flugsaurier und kreiste mehrere Male um Dinos Kopf. »Tja, mein Lieber. Ich sage es dir nicht gern, aber meine Diagnose ist leider eindeutig. Du bist kurzsichtig und brauchst eine Brille.«
»Eine Brille?« Wo sollte er die denn bekommen. Bis zur Geburt des ersten Augenoptikers sollten nämlich noch viele Millionen Jahre vergehen.
»Mach dir da mal keine Sorgen. Die Brille bekommst du schneller, als du denkst.« Der Flugsaurier zeigte auf zwei am Boden stehende Säcke. »Darin befindet sich Sand. Den bringst du zum nächsten Vulkan, schüttest ihn in die flüssige Lava und holst die fertig geschmolzenen Glasscheiben wieder heraus. Die kannst du dann vor deine Augen setzen.«
Dino nickte. Das klang alles ganz einfach. Er schnappte sich die Säcke, band sie sich mit einer Liane am Hals fest und stapfte vorsichtig los. Unterwegs stieß er sich immer wieder die Zehen an, fluchte laut, gab aber trotzdem nicht auf. Er wollte endlich wieder sehen können.
Nach einer langen Wanderung von fünf Tagen und vier Nächsten, stand er endlich am Rand eines Kraters und blickte auf die blubbernde Lava hinab. Dino öffnete die Säcke, schüttete den Sand des einen nach links, den des anderen nach rechts. Er wartete, bis der Inhalt komplett geschmolzen war und fischte dann das noch weiche Glas mit einem Stock wieder heraus.
»Jetzt muss ich nur noch warten, bis meine Linsen abgekühlt sind.«
Natürlich wollte Dino nicht so lange warten. Immer wieder lief er um die Gläser herum und blies aus vollen Wangen auf die Oberfläche. Es hatte trotzdem zwei ganze Tage gedauert, bis er seine Sehhilfe anfassen konnte, ohne sich zu verbrennen.
Vorsichtig setzte Dino die Linsen vor seine Augen und staunte. Endlich konnte er alles ganz scharf sehen. Sogar die kleinsten Flugsaurier am Himmel entdeckte er sofort.
»Huch, was ist denn das?« Dino sah auf seine Füße herab und entdeckte auf ihnen ganz viel Staub und Dreck. »Ih! Igitt! Wie kommt das denn da hin? Das mag ich überhaupt nicht.«
Er versuchte, sich die Füße zu reinigen, was ihm allerdings nicht gelang.
Dino seufzte. »So kann ich auf keinen Fall leben. Ich will gar nicht mehr so gut schauen können.« Er nahm die Gläser von den Augen und warf sie zurück in die Lava, wo sie langsam versanken.
Glücklich und vergnügt wanderte Dino nach Hause. Von nun an stieß er sich nicht mehr die Füße. Er benutzte die Felsen, die ihm im Weg lagen zum Kicken und erfand nebenbei das Fußballspiel.

(c) 2023, Marco Wittler

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