1513. Öhrchens wichtige Aufgabe

Öhrchens wichtige Aufgabe

Wie ein Schemen, wie ein Geist mit winzigen Ohren am Kopf, den man im Nebel kaum wahrnehmen konnte, bestieg Öhrchen ein kleines Faltboot. Es befestigte eine Öllampe am Bug und blies aus vollen Wangen gegen ein Tuch, dass es als Segel benutzte. Langsam stach das Boot in See. Schon nach wenigen Metern konnte man das Ufer nicht mehr erkennen.
»Ich muss etwas ganz Wichtiges erledigen. Ich darf keine Zeit verlieren.«
Öhrchen schwebte zum Heck und begann, sein Gefährt zusätzlich anzuschieben. »Wenn ich nicht rechtzeitig ankomme, kann Schreckliches passieren.« Trotzdem dauerte es mehrere Minuten, bis das Ziel erreicht war.
In jeder Richtung war nur Wasser zu sehen. Nichts deutete daraufhin, dass sich an genau dieser Stelle etwas Besonderes befand. Trotzdem holte Öhrchen eine Angel hervor und warf den Haken aus. Es dauerte nicht lange, bis etwas an der Leine zog. »Hab ich dich.«
Öhrchen holte seinen Fang ein. Am Haken zappelte ein kleines, nebelartiges Etwas, das immer zorniger wurde und sich losreißen wollte.
»Nichts da. Du bleibst schön hier.« Öhrchen schnappte sich das kleine, wütende Wesen und verstaute es sorgfältig in einem Käfig. Dann griff es zu einem sehr viel friedlicheren Wesen, das in allen Farben des Regenbogens strahlte.
»Du bist sehr viel besser für diesen Ort geeignet. Öhrchen ließ das Wesen vorsichtig ins Wasser hinab und sah ihm zu, wie es langsam versank. Nur wenige Augenblicke später klärte sich der Nebel über dem Meer und schwand.
Öhrchen atmete erleichtert auf. Es war immer wieder froh, wenn es den Geist, in dem es lebte, von Nachtmahr befreite und mit schönen Träumen versorgen konnte.
Es ließ sein kleines Boot zurück zum Ufer treiben und ging wieder an Land.
»Ich werde auch beim nächsten Mal wieder zur Stelle sein. Hoffentlich wird das nicht zu bald sein. Schlaf schön.«

(c) 2023, Marco Wittler

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