1632. Wenn der Werwolf heult

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Bitte lies meine Geschichten einmal selbst, bevor du sie deinen Kindern vorliest. Sie sind zu Halloween etwas gruseliger, auch wenn sie lustig enden. Bitte bewerte vorher, ob dein Kind die Geschichten bereits versteht, damit umgehen kann und sich nicht zu sehr gruselt.

Wenn der Werwolf heult

Emmi sah sich um. Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen. Das Lagerfeuer spendete zwar viel Wärme, trotzdem lief es ihr immer wieder eiskalt den Rücken herunter.
»Meint ihr wirklich, dass es eine gute Idee war, die Nacht im Wald zu verbringen?«
Sie konnte sie gar nicht erklären, wer einen Platz für ein einzelnes Zelt auf einer Waldlichtung errichtete. Das konnte sich doch gar nicht lohnen. Es sei denn …
Sie blickte nacheinander ihre Freunde an, die keine Angst zu haben schienen. Fynn zupfte an den Saiten seiner Gitarre und tat so, als wäre er ein guter Musiker, währen Lena von ihrem Buch abgelenkt war. Max schnitzte mit seinem Taschenmesser an einem Ast, um später Marshmallows damit grillen zu können.
»Mach dir mal nicht ins Hemd.« Fynn grinste. »Dich wird hier schon kein Monster fressen. Vielleicht knabbern sie nur ein wenig an deinen Beinen rum.« Er lachte.
»Aber was, wenn es wirklich so ist? Monster, Vampire, Zombies.« Oh ja. Vor Zombies hatte Emmi besonders große Angst. Diese Untoten, die laut stöhnend durch die Gegend liefen, Stück für Stück auseinander fielen und Jagd auf Menschen machten.
»Und vergesst nicht die Mumien, die sich aus ihren Gräbern erheben.«
Die anderen lachten. »Mumien? Die haben es aber ganz schön weit von Ägypten bis hierher. Sind die überhaupt wasserdicht oder saugen sich die Stoffbänder voll? Da wird das Schwimmen aber anstrengend.«
Emmi wurde rot im Gesicht. Schnell wand sie ihren Blick ab und starrte ins Feuer. »Ich meine ja nur. Ich war noch nie nachts allein im Wald. Mir macht das mehr Angst, als ich dachte.«
Plötzlich erklang ein Heulen aus dem Wald. Es schien sehr nah zu sein. Die Teenager zuckten alle kurz zusammen, fassten sich aber schnell wieder. Emmi hingegen begann zu zittern.
»Keine Sorge.« Fynn legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Das war bestimmt nur ein Hund im Dorf unten. Mach dir keine Sorgen.«
Emmi stand auf, ging einmal im Kreis um das Feuer, versuchte etwas zwischen den Bäumen zu entdecken. »Was, wenn es ein Werwolf ist? Der frisst Menschen oder beißt sie, damit sie sich ebenfalls verwandeln.«
»Werwolf? So ein Quatsch. Die gibt es doch gar nicht. Und wenn es sie gibt, dann nur bei Vollmond. Ansonsten sehen sie so aus wie wir. Nur nicht ganz so hübsch wie ich.« Fynn fuhr sich mit der Hand durch seine Haare und grinste breit.
Emmi nahm wieder Platz. Wohl war ihr nicht. Sie wünschte sich nur noch in ihr sicheres Bett, wo sie sich die Decke über den Kopf ziehen konnte.
Das Heulen erklang erneut. Kam es nun aus einer anderen Richtung? War es dieses Mal noch näher?
Am Himmel riss die Wolkendecke auf und gab den Blick auf den kreisrunden Mond frei.
»Das ist ja wieder ganz toll.« Ohne die Augen vom Himmel abzuwenden, sprach Emmi nur noch leise weiter. »Können wir bitte, bitte wieder nach Hause gehen? Ich finde es gerade einfach nur noch unheimlich hier.«
»Ist ok.« Fynn legte die Gitarre ab. »Ich bringe dich wieder runter ins Dorf. Ist kein Problem. Der Weg ist nicht weit. Dann komme ich hierher zurück. Mir macht das alles keine Angst.«
Er nahm Emmis Hand und zog sie hinter sich her. Kaum hatten sie den Wald betreten, war das Heulen wieder zu hören. Dieses Mal war es definitiv näher. Fynn zuckte heftig zusammen. Emmi schrie laut auf und rannte los. Sie stolperte in der Finsternis über eine Wurzel und fiel der Länge nach hin.
»Fynn? Fynn, wo bist du?«
Das Heulen war nun direkt vor ihr.
»Fynn, hilf mir bitte.«
Fynn lief zu ihr, hob die Taschenlampe an und atmete erleichtert auf.
»Emmi schau mal hoch.«
Sie zögerte. Sollte sie den Werwolf unnötig auf sich aufmerksam machen? Doch dann öffnete sie ihre Augen, hob den Kopf und entdeckte eine alte Blockflöte in einer Astgabelung, die irgendwer hier verloren oder weggeworfen hatte. Der Wind, der durch den Wald pfiff, traf auf die Flöte und ließ sie heulen.
»Blödes Ding.« Emmi nahm sich die Flöte und steckte sie ein. »Trotzdem will ich jetzt nach Hause. Ich hasse diesen Wald.«

(c) 2024, Marco Wittler

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