Marcos Geburtstag
Das Haus war von oben bis unten feierlich geschmückt. Überall hingen Luftschlangen, Ballons und mehr. An der Haustür prangte eine große Sechs.
»Du meinte Güte.«, sagte Mama erstaunt.
»Du wirst heute schon sechs Jahre alt. Wie schnell die Zeit vergeht.«
Marco verdrehte die Augen.
»Das hast du doch schon ein paar Mal seit heute Morgen erzählt.«
Aber Mama hörte gar nicht hin.
»Dabei ist es doch noch gar nicht so lange her, dass du als kleines Baby in meinem Arm gelegen hast.«
Sie seufzte und räumte den Tisch ab.
Marco stand von seinem Stuhl auf und flitzte ins Kinderzimmer. Er warf noch einmal einen prüfenden Blick in die Runde, ob alles an seinem Platz war.
Die Gegenstände, mit denen er heute spielen wollte, standen griffbereit in den Ecken. Alles was kaputt gehen konnte, hatte er schon vor mehreren Tagen in seinen Schränken und Schubladen versteckt.
»Jetzt können meine Freunde kommen.«, rief er laut.
»Aber wir haben doch noch zwei Stunden Zeit.«, antwortete Mama aus der Küche.
Die Zeit wollte fast gar nicht mehr vergehen. Marco saß ununterbrochen hinter seinem Fenster und beobachtete die Straße vor dem Haus, bis endlich sein erster Gast erschien.
»Da kommt Hendrik. Ich mach die Tür auf.«
In den nächsten Minuten waren alle Kinder eingetroffen. Sieben waren es und sie hatten alle kleine Geschenke mitgebracht.
Marco konnte es kaum erwarten, sie alle auszupacken. Das Geschenkpapier flog im hohen Bogen durch die Luft. Zum Vorschein kamen ein knallrotes Feuerwehrauto, die neuesten Fußballkarten, ein kleines Schiffchen mit einer Fahne aus einem fremden Land, Bauklötze für ein Raumschiff, coole Aufnäher für seinen neuen Schulranzen, ein paar Spielzeugautos und eine Packung Käse.
»Wer schenkt dir denn Käse?«, fragte Mama verwirrt.
Aber Marco jubelte.
»Juhu, genau das habe ich mir gewünscht. Ich hätte nicht gedacht, dass Martin das wirklich macht.«
Die Kinder setzten sich an den großen Tisch im Wohnzimmer und machten sich über einen riesigen Kuchenberg her. Es gab welchen mit Äpfeln und Schokolade und Marzipan. Für jeden war etwas dabei.
»Zu schade, dass wir heute nicht draußen spielen können.«, sagte Stefan.
Alle Kinder nickten, stimmten zu und sahen nach draußen. Es regnete gerade in Strömen.
»Das macht aber nichts.«, versprach Marco.
»Wir können hier drin auch ganz viele Spiele machen.«
Und so geschah es dann auch. Die Gruppe vergnügte sich beim Topf schlagen und Blinde Kuh. Auf dem Teppich wurden wilde Autorennen veranstaltet und Marcos Opa schüttete Wasser in eine Zeitung, ohne dass es unten wieder heraus kam.
»Opa ist nämlich ein wirklich echter Zauberer, müsst ihr wissen.«
Die Geburtstagsfeier machte so viel Spaß, dass die Zeit sehr schnell vorbei ging und irgendwann das Abendessen auf dem Tisch stand. Es gab Knackwürstchen und Pommes.
Während die Jungen ihren Hunger erfolgreich bekämpften, war aus dem Zimmer plötzlich ein kurzes Knacken zu hören.
»Oh, oh.«
Das war die Stimme von Marcos kleiner Schwester.
Schnell standen die Jungen auf und liefen dem Geräusch nach. Ein paar Sekunden später sahen sie ein kleines Mädchen, gerade vier Jahre alt, mit einem knallroten Feuerwehrauto in der einen und einer Feuerwehrleiter in der anderen Hand.
»Du hast es kaputt gemacht.«, rief Marco entsetzt.
»Das war doch ein Geburtstagsgeschenk für mich.«
Er wusste nicht, was er machen sollte. Nur zu gern würde er seine Schwester anschreien und mit ihr schimpfen. Doch das hätte Ärger mit Mama gegeben.
Gern hätte er auch einfach nur geweint, doch das wollte er auf keinen Fall vor seinen Freunden machen. Das war ihm viel zu peinlich.
»Ich hab da eine geniale Idee.«, sagte plötzlich Martin in die Stille hinein.
Er kniete sich auf den Boden und nahm sich das kaputte Feuerwehrauto. Er fummelte ein wenig daran herum, kramte noch einen alten Anhänger aus einer Spielzeugkiste und hängte diesen schließlich an die Stelle, an der die Leiter sitzen sollte.
»Du hast doch vor ein paar Wochen deinen schönsten Laster auf dem Spielplatz verloren. Jetzt hast du einen neuen. Sowas hat sonst keiner.«
Marcos Augen wurden groß und größer. Das war wirklich ein prima Einfall.
Schon war der Ärger verflogen. Er nahm sich sogar vor, seine kleine Schwester zum Dank noch einmal kräftig zu drücken. Aber erst, wenn keiner mehr zuschauen konnte.
(c) 2009, Marco Wittler