351. Mir ist kalt

Mir ist kalt

Die Kinder spielten draußen im Garten. Gemeinsam hatten sie den fallenden Flocken getrotzt und einen großen Schneemann gebaut. Die Augen und der Mund bestanden aus alten Kohlen, die Nase aus einer Möhre und auf dem Kopf saß nun ein alter Hut.
»Irgendwie schaut er aus, als wäre ihm kalt.«, sagte Anna.
»Er braucht noch etwas Warmes zum anziehen.«
Schnell lief sie ins Haus und kam mit einem dicken Schal zurück, den sie dem Schneemann um den Hals legte.
»Perfekt.«
In diesem Moment öffnete Mama das Küchenfenster und rief die Kinder herein. Es war Zeit für das Abendessen.
In der Zwischenzeit geschah etwas Seltsames. Der Schneemann wurde plötzlich lebendig.
»Wo bin ich hier?«, fragte er sich und sah sich im Garten um.
»Wie komme ich hierher und was mache ich eigentlich?«
Viel zu viele Fragen tobten sich in seinem Kopf herum, ohne auch nur eine einzige Antwort zu bekommen. Zusätzlich konnte er nicht gut nachdenken. Dafür war es einfach viel zu kalt.
»Ich muss unbedingt an einen wärmeren Ort. Mir frieren noch die Zehen ab.«, beschwerte er sich.
Da fiel sein Blick auf das Haus. Durch eines der Fenster sah er die ganze Familie am Essenstisch sitzen.
»Denen geht’s ja gut. Ich will auch dort rein.«
Also machte er sich auf den Weg. Die ersten Schritte fielen dem Schneemann noch ziemlich schwer. Doch mit jedem Meter fiel es ihm leichter.
Leise öffnete er die Tür, betrat das Treppenhaus und ging die Stufen nach oben.
»Ich gehe schnell in mein Zimmer und hole ein Spiel.«, war plötzlich die Stimme eines Jungen zu hören.
»Hilfe! Ich muss mich verstecken.«, flüsterte sich der Schneemann ängstlich zu.
Er dachte nicht lange nach und verschwand in einem Wandschrank. Dort wollte er bleiben, bis die Menschen in ihren Betten lagen und schliefen.
»Hier ist es schön warm. Ich glaube, ich werde den ganzen Winter über im Haus bleiben.«, sagte er sich zufrieden.
Dann lehnte er sich zurück und schlief kurz darauf ein.

Am nächsten Morgen standen die Kinder mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Laut gähnend schlurften sie durch den Flur, bis sie etwas Ungewöhnliches entdeckten.
Vor der Tür zum Wandschrank hatte sich eine riesige Pfütze gebildet. Vorsichtig öffneten sie den Schrank. Im Innern war nichts zu entdecken, was die Pfütze erklären würde, denn der Schneemann war über Nacht in der Wärme geschmolzen.
»Das ist ja mehr als Seltsam.«, sagte Anna und holte einen Wischlappen hervor.

(c) 2010, Marco Wittler

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