Die dicke Hummel
Hannah sah in den Spiegel und seufzte. Ihr Po gefiel ihr nicht. Der war in ihren Augen viel zu dick. Der Bauch und die Beine aber auch.
»Warum musste ich bloß als Hummel zur Welt kommen?«
Sie blickte durch das Fenster nach draußen und sah die anderen Insekten, die bereits auf dem Weg zum Badesee waren.
»Die werden mich bestimmt wieder nur ärgern. Am Liebsten würde ich zu Hause bleiben.«
Aber dann klingelte es schon an der Tür. Der kleine Frosch wartete schon auf seine Freundin. Gemeinsam wollten sie den schönen Sommertag im Wasser verbringen.
»Ich bin gleich so weit. Gib mir noch fünf Minuten.« rief Hannah und zog sich schnell ihren Badeanzug an.
Kurz darauf machten sich die Beiden auf den Weg.
»Was ist denn mit dir los?« fragte der kleine Frosch nach ein paar Metern. »Die Sonne scheint, es ist schön warm, das Wetter könnte nicht besser sein und du schaust aus, als wäre bereits der Herbst ausgebrochen.«
Hannah seufzte laut, während sie gemeinsam den Strand betraten.
»Ach, es ist doch immer das Gleiche, wenn wir zum Baden gehen.«
Sie zeigte mit dem Finger auf ein paar der anderen Insekten, die sich bereits überall mit ihren Handtüchern verteilt hatten.
»Ich fühle mich hier einfach nicht wohl. Die anderen Insekten sind alle rank und schlank und posieren in ihren kleinen Bikinis. Und wenn ich dann mit meinem dicken Po hier auftauche, lachen sie alle über mich.«
Der kleine Frosch schüttelte den Kopf. »Das stimmt doch gar nicht. Das musst du dir einbilden. Und so dick bist du auch wieder nicht. Du würdest wenigstens nicht sofort verhundern, wenn der Winter überraschend vorbei kommt.« versuchte er zu scherzen. »Außerdem muss man bei den Wespen Angst haben, dass man sich durchbricht, wenn man sie zu fest an sich drückt.«
In diesem Moment kam auch gerade eine Gruppe zierlicher Wespen vorbei, die ihre Hände an den schmalen Taillen abstützten.
»Schaut mal, Mädels. Da kommt wieder fette Hummel. Passt bloß auf, dass ihr nicht zu nah neben ihr sitzt. Die wirft so viel Schatten, dass ihr keine Sonne mehr zum Bräunen bekommt.«
Dann gingen sich lachend weiter zu ein paar kräftigen Grashüpferjungs und tranken mit ihnen ein paar Gläser süßen Nektar.
»Sieht du, was ich meine?« beschwerte sich Hannah und wusste nicht, ob sie wütend oder traurig sein sollte.
Nun musste der kleine Frosch auch seufzen. Dass es so schlimm war, hatte er sich nicht gedacht.
Sie legten sich etwas abseits der anderen Tiere unter einen Busch und unterhielten sich, als plötzlich lautes Geschrei über dem Badesee ertönte.
»Was ist denn jetzt los?« Hannah sprang auf und sah sofort den Grund für den Tumult. Auf einem selbst gebauten Floß näherte sich eine dicke, fette Katze den badenden Tieren.
Nur die Wenigsten konnten flüchten, denn die kleinen Flügel der Insekten waren nass oder in den Trägern der Bikinis gefangen.
»Wenn jetzt kein großes Wunder geschieht, werden sie alle zu Katzenfutter.« rief der kleine Frosch entsetzt und verkroch sich vor Angst immer tiefer im Busch.
»Wir brauchen kein großes Wunder, nur einen dicken Hummelhintern.« war Hannah entschlossen und schlug mit ihren kleinen Fügeln.
»Was soll das werden?« fragte der kleine Frosch verzweifelt. »Du kannst den anderen nicht helfen. Deine Flügel sind viel zu klein zum Fliegen. Du bist zu schwer. Das habe ich in der Schule gelernt.«
Hannah verdrehte die Augen. »Davon habe ich noch nichts gehört.« antwortete sie nur und flog zur Katze.
»Verschwinde hier oder es wird dir etwas Schreckliches geschehen.« rief die Hummel.
»Hau ab oder ich fress dich gleich mit.« antwortete die Katze nur und ruderte weiter Richtung Strand.
Hannah wurde nun richtig wütend. Sie hörte auf zu fliegen und ließ sich fallen. Mit ihrem Po voran raste sie auf den See zu.
»Arschbombeee!« war das Letzte, was sie von sich gab, bevor sie in das Wasser eintauchte und die Katze nass spritzte.
»Iiiih! Hilfe! Das ist sooo nass!«
Voller Panik verlor die Katze das Gleichgewicht, fiel vom Floß und verschwand für ein paar Sekunden unter der Wasseroberfläche. Als sie wieder auftauchte, schwamm sie verzweifelt schnell an Land und verschwand auf nimmer Wiedersehen im hohen Gras.
Hannah schwamm gemütlich an den Strand, wo sie von einer jubelnden Menge empfangen wurde. Selbst die dürren Wespen kamen mit roten Köpfen zu ihr.
»Tut uns Leid, dass wir dich beleidigt haben.« entschuldigten sie sich und bedankten sich dafür, dass ihnen von einer Hummel das Leben gerettet wurde.
Von diesem Tag an wurde Hannah nie mehr geärgert. Irgendwann traute sie sich sogar selbst in einem Bikini an den Strand.
(c) 2015, Marco Wittler
Das ist ja eine tolle Geschichte, die habe ich mir gerne durch gelesen. Es zeigt auch, dass man nicht dünn oder gut aussehen muss um jemand zu sein. Da die Hummel Köpfchen bewiesen hat. Der Charakter ist immer noch am wichtigsten und da sie respektiert wurde, bekam sie auch mehr Selbstbewusstsein. Gefällt mir wirklich sehr sehr gut.
Wünsche dir einen schönen Tag.
Liebst Michelle von beautifulfairy
Mir war es auch wichtig, eine Figur zu nutzen, die nicht perfekt ist, denn das ist niemand von uns. Irgendwas kann man an jedem finden, womit man ihn mobben kann. Das heißt es stark sein und drauf pfeifen. So schafft man sich Respekt und Akzeptanz. Dann ist es auch egal, wie man aussieht.
Lieben Gruß,
der Marco
Hallo Marco,
das ist mal wieder eine sehr schöne Geschichte! „»Was soll das werden?« fragte der kleine Frosch verzweifelt. »Du kannst den anderen nicht helfen. Deine Flügel sind viel zu klein zum Fliegen. Du bist zu schwer. Das habe ich in der Schule gelernt.«“ Dass der beste Freund der Hummel diesen Satz gesagt hat, hat mich persönlich etwas irritiert. Wäre die Humel meine Tochter, hätte sie sofort aufgegeben und erwidert: „Siehst du? Du findest mich auch unförmig und zu dick.“ Ich hätte es schöner gefunden der Frosch hätte seine Sorge „neutraler“ ausgedrückt. Doch ingesamt hat sie mir gut gefallen. Eine schöne Metapher.
Liebe Grüße, Nina (#blokoso)
Hallo Nina.
Die Einwände waren nur ein kleine Hommage an die Physiker, die mal berechnet haben, dass Hummeln nicht fliegen könnten, weil zu dick und zu kleine Flügel. Dieser Rechenfehler geistert ja immer noch durch die Welt.
Lieben Gruß,
der Marco