968. Das Geheimnis des Drachens (Ritter Fridolin von Kieselstein 01)

Das Geheimnis des Drachens

Vom Wehrgang der alten Burg konnte man einen wunderschönen Sonnenuntergang beobachten. Der Horizont leuchtete in einem kräftigen Orange und verwandelte das Land unter sich in einen märchenhaften Ort.
Die Wachsoldaten des Königs hatten leider keine Zeit, sich dieses Naturspektakel näher anzuschauen. Sie hatten die wichtige Aufgabe, für den Schutz des Königs zu sorgen, der jederzeit mit dem Angriff feindlicher Armeen rechnete.
Einer dieser Wachleute war Fridolin von Kieselstein. Eigentlich war er als Ritter zu adelig, um einfachen Wachdienst zu verrichten. Da er aber wegen seiner Tollpatschigkeit beim König in Ungnade gefallen war, verbrachte er nun seine Zeit hinter den Zinnen der Burg.
»Findet ihr das Licht nicht auch wunderschön?«, fragte er die anderen Soldaten.
»Halt die Klappe und pass auf, dass sich niemand unbemerkt nähert.«, bekam er eine mürrische Antwort. »Zum Träumen bist du nicht hier.«
Fridolin von Kieselstein seufzte und blickte weiter zum Horizont.
»Hm, fällt euch an dem Sonnenuntergang auch etwas auf? Irgendwas stimmt da nicht.«
Die anderen Soldaten ignorierten ihn. Sie waren nicht an bunten Lichtspielen interessiert.
»Seht ihr das denn nicht? Es wird nicht dunkler. Der Sonnenuntergang dauert heute viel länger als sonst.«
Der Ritter sah sich um, erntete Kopfschütteln, verdrehte Augen und Lacher.
»Ich bin mir sicher, dass das etwas zu bedeuten hat. Ich werde der Sache auf den Grund gehen.«
Fridolin von Kieselstein sattelte sein Pferd und ritt dem Sonnenuntergang entgegen.
Es ging durch ein lang gestrecktes Tal und nach einigen Kilometern eine Anhöhe hinauf. Als der Ritter auf dem Hügelkamm angekommen war, sah er sofort, was am Sonnenuntergang nicht gestimmt hatte.
»Das ist ein riesiges Feuer. Der ganze Wald dort drüben steht in Flammen.«
Schnell wurde klar, dass das Feuer nicht von allein entstanden war. Der übergroße, mehrere Meter hohe Brandstifter war schon von weitem zu sehen.
»Ein Drache. Wir sind alle verloren. Wenn er die Burg entdeckt, sind wir alle verloren.«
Fridolin von Kieselstein machte sofort kehrt, gab seinem Pferd die Sporen und ritt zurück.
»Halt!«, hörte er plötzlich einen Ruf hinter sich. »Warte!«
Der Ritter drehte den Kopf, sah wie der Drache ihm mit schnellen Schritten folgte und immer weiter aufholte.
»Es ist nicht so, wie es aussieht. Das Feuer war ein Unfall.«
Fridolin stutzte. Was war denn das für ein Drache? Er entschuldigte sich für einen Brand, lief über den Boden, statt zu fliegen. Er zog an den Zügeln, brachte sein Pferd zum stehen. Sekunden später stand der riesige Drache mit einem verlegenen Gesichtsausdruck vor ihm.
»Warum ist der Brand ein Unfall gewesen? Jeder Drache entfacht große Feuer und versetzt Menschen in Angst und Schrecken. Da stimmt doch etwas nicht.«
Der Drache ließ den Kopf hängen, bevor er zu einer Erklärung ansetzte.
»Ich bin kein Drache. Ich bin der letzte Dinosaurier, den es auf der Welt gibt. Alle anderen sind längst ausgestorben.«
Er seufzte lang und laut.
»Ich wollte es mir in meiner kalten Höhle etwas gemütlicher machen und den Kamin anzünden. Leider hat der Wind ein paar Funken nach draußen geblasen und den viel zu trockenen Wald sofort in Brand gesteckt. Es tut mir wirklich leid.«
Ihm rollten ein paar dicke Tränen an den Wangen herab.
»Ist schon gut.«, antwortete Fridolin von Kieselstein. »Hoffen wir einfach, dass sich die Tiere des Waldes rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten. Pass bitte in Zukunft besser auf deinen Kamin auf.«
Der Dinosaurier nickt eifrig.
»Dann werde ich jetzt wieder zurück zur Burg reiten und der Wachmannschaft berichten, dass der Wald brennt und keine Gefahr für uns besteht.«
Der Drache drehte zum Gehen um, da fiel ihm noch etwas ein.
»Und bitte erzähl niemandem, dass es noch einen letzten Dinosaurier auf der Welt gibt. Ich will einfach nur ganz in Ruhe mein Leben leben.«
Damit war der Ritter einverstanden. Sie verabschiedeten sich voneinander und machten sich auf den Weg in ihr jeweiliges Heim.

(c) 2021, Marco Wittler


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