Weihnachtsfeier in der Grundschule
Jonas war wütend. Schon morgen Nachmittag war die Weihnachtsfeier in der Grundschule und noch immer hatte er keinen Spielpartner gefunden. Die anderen Jungs hatten sich bereits zusammengefunden und mit einem Mädchen war das undenkbar. Nach der letzten Unterrichtsstunde ging er frustriert nach Hause und beklagte sich dort bei seiner Mutter.
»Die anderen Jungs sind alle richtig gemein. Keiner wollte mein Partner werden.«
Seine Mutter schüttelte verzweifelt den Kopf. Schon seit einer Woche hörte sie die gleichen Beschwerden.
»Du hast dir aber auch zu viel Zeit gelassen. Dann darfst du dich nicht wundern, wenn du am Ende alleine da stehst.«
»Aber es hat mich nicht einer von den anderen gefragt.«
Jonas Mutter erklärte ihm, dass es gar nicht verkehrt gewesen wäre, auch selbst einmal die anderen zu fragen.
Während sie weiter redete, nahm sie das Klassenfoto von der Pinnwand und legte es auf den Tisch.
»Dann schauen wir doch mal. Ist denn niemand mehr allein? Ihr seit doch sechsundzwanzig Kinder in der Klasse. Das sollte doch genau aufgehen.«
Nun zog Jonas die Schultern hoch und blickte verschämt zu Boden.
»Pedro ist auch noch alleine. Aber mit dem will ich nicht zusammen antreten. Der kann doch gar nichts.«
»Wer ist den Pedro?«
Jonas zeigte seiner Mutter auf dem Foto einen dunkelhäutigen Jungen.
»Der kommt aus Brasilien und kann nicht einmal richtig Deutsch sprechen. Dann wird auch bestimmt ein einziges Spiel verstehen und ich werde verlieren.«
Seine Mutter schlug ihm vor, Pedro trotzdem zu fragen.
»Wenn du alleine bist, wirst du gar nicht erst an den Start gehen dürfen.«
Jonas war sauer. Er hatte nicht erwartet, dass sogar seine Mutter gegen ihn sein würde.
Am nächsten Tag öffnete die Grundschule um fünfzehn Uhr ein weiteres Mal ihre Türen. Die Kinder strömten mit ihren Eltern in einen der vielen Klassenräume.
Zu Beginn wurden Lieder gesungen, und Kuchen gegessen. Doch dann wurde es Zeit für ein Spiel. Nach und und nach fanden sich die Zweiergruppen zusammen. Nur Jonas und Pedro blieben übrig.
Jonas wurde rot im Gesicht, als ihn alle ansahen. Schließlich fasste er sich ein Herz, schlich zu Pedro und sah angestrengt auf den Boden.
»Willst du vielleicht mit mir zusammen spielen?«
Pedro Gesicht hellte sich sofort auf. Er freute sich so sehr, dass er Jonas gleich umarmte.
»Dann lass uns mal loslegen. Wir werden die anderen bestimmt besiegen.«
Als Jonas Mutter das hörte wurde sie neugierig und sprach die Klassenlehrerin an.
»Mein Sohn hat mir erzählt, dass Pedro unsere Sprache nicht richtig beherrscht. Stimmt das etwa nicht?«
Die Lehrerin schüttelte den Kopf.
»Die anderen Kinder halten sich immer von ihm fern, weil er neu ist und nicht hier geboren wurde. Dadurch ist Pedro sehr schüchtern und spricht kaum in der Schule.«
Das Spiel ging los. Ein paar Väter hatten auf dem Flur einen Slalomkurs aufgebaut, während ein paar Mütter die Beine der Kinder aneinander banden. Der Dreibeinlauf konnte beginnen.
Mit dem Startsignal liefen sie alle los, doch schon nach den ersten Schritten blieben einige Teams stehen, während andere einfach umfielen.
Pedro hielt Jonas ein paar Sekunden zurück.
»Lass und zählen. Bei Eins bewegen wir die äußeren Beine und bei Zwei die anderen. So kommen wir bestimmt einfacher ins Ziel.«
Gemeinsam zählten sie im Takt und gemeinsam liefen sie den anderen Mannschaften davon. Alle Kinder hatten Probleme vorwärts zu kommen, nur für Pedro und Jonas schien es ein Kinderspiel zu sein. Mit einem weiten Vorsprung erreichten sie als erste das Ziel.
»Du meine Güte, du bist ja viel schlauer als ich dachte.«, sagte Jonas erstaunt.
»Vielleicht hättest du einfach schon früher mal mit mir reden können.«, antwortete Pedro.
Jonas umarmte ihn und bedankte sich für den Sieg.
»Es tut mir leid. Ich hab einfach etwas völlig falsches über dich gedacht, weil du anders aussiehst und woanders geboren wurdest. Aber eigentlich bist du auch nicht anders als alle anderen. Und du bist bestimmt auch ein richtig guter Kumpel.«
Darüber freute sich Pedro noch viel mehr als über das gewonnene Spiel. Denn in diesem Moment hatte er seinen ersten Freund in Deutschland gefunden. Dieses Jahr war das schönste Weihnachten seines ganzen Lebens.
(c) 2008, Marco Wittler
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