155. Überraschung am Weihnachtstag

Überraschung am Weihnachtstag

»Kinder wacht auf, es ist Weihnachten. Ihr wollt doch nicht den heutigen Tag verschlafen.«
Mama ging über die Treppe in die obere Etage und klopfte an die Türen der Kinderzimmer.
Leon legte  sich sein Kissen auf den Kopf und hielt sich die Ohren zu. Gerade heute wollte er auf keinen Fall aus dem Bett kommen.
»Ich kann Weihnachten nicht leiden. Das ist der schlimmste Tag im ganzen Jahr.«
Schließlich stand er aber doch auf und kam an den Frühstückstisch.
»Wir werden gleich alle zusammen den Weihnachtsbaum schmücken.«, schlug Mama vor.
»Ich habe ich vorhin schon im Wohnzimmer aufgestellt. Ihr dürft euch sogar aussuchen, in welchen Farben er dieses Jahr erstrahlen soll.«
Finja klatschte vor Freude in die Hände.
»Das wird bestimmt lustig. Ich wollte schon immer den Baum schmücken. Wenn das der Weihnachtsmann sieht, bekomme ich garantiert ein extra großes Geschenk.«
Leon verdrehte die Augen, als er das hörte.
»Es gibt gar keinen Weihnachtsmann.«
Das wollte seine kleine Schwester nun gar nicht hören.
»Natürlich gibt es ihn und das Christkind gibt es auch.«
Sie verschränkte die Arme und sah ihren Bruder nicht mehr an.
Leon tat es ihr gleich. Er glaubte schon lange nicht mehr daran, dass es den Weihnachtsmann gab. Würde es ihn geben, wäre das Fest schön und nicht so trostlos.
»Nun schmollt mal nicht so und esst euer Frühstück.«
Leon lehnte ab.
»Ich will kein Weihnachten feiern. Ohne Papa macht das einfach keinen Spaß.«
Nun bekam auch Mama ein komisches Gefühl im Bauch, denn Papa würde schon zum zweiten Mal nicht mit ihnen zusammen feiern können. Sein Chef hatte ihm einen wichtigen Auftrag in einem anderen Land übertragen, der unbedingt während der Feiertage erledigt werden musste.
»Es wird bestimmt trotzdem schön, auch wenn wir nur zu dritt sind. Immerhin ruft uns Papa am Abend an. Und wenn wir erst einmal in der Kirche sind, bekommen wir bestimmt sofort weihnachtliche Gefühle.«
Leon wollte daran nicht glauben. Für ihn war Weihnachten erledigt. Er wollte es nie wieder in seinem Leben feiern.

Bis zum Nachmittag waren der Baum und das Wohnzimmer geschmückt.
»Wo bleibt denn der Schnee?«, fragte Finja, als sie aus dem Fenster sah und den Regen sah.
»Im Fernsehen liegt doch auch immer an Weihnachten ganz viel Schnee. So kann man doch nicht richtig feiern.«
Nun war auch bei ihr die Laune verdorben.
Mama versuchte ihr Bestes und gab sich viel Mühe, den Kindern wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Aber es gelang ihr nicht.
Sie zog den Beiden Jacken an und ging mit ihnen in die Kirche.

Während des Krippenspiels lehnte sich Leon zu seiner Schwester herüber und flüsterte ihr ins Ohr.
»Du brauchst da gar nicht zuschauen. Es gibt kein Christkind. Der Weihnachtsmann ist auch nur ein albernes Märchen.«
Finja stach ihm mit dem Finger in die Seite.
»Du lügst mich doch nur an. Ich glaube aber ganz fest an die Beiden.«
Sie schloss die Augen und flüsterte leise.
»Bitte lieber Weihnachtsmann. Lass es ein bisschen schneien. Das gehört doch zum Fest dazu.«
Leon konnte jedes einzelne Wort hören und verdrehte die Augen. Doch dann kam er ins Grübeln. Er wollte nicht mehr an das Christkind glauben. Er war viel zu sehr enttäuscht. Doch dann schloss auch er die Augen. Einen kleinen Funken Hoffnung und einen wichtigen Wunsch besaß er noch.

Nach einer Stunde war der Gottesdienst zu Ende. Die Leute standen auf und drängelten sich zum Ausgang. Doch dann ging es zunächst nicht weiter. Stattdessen waren erstaunte Laute zu hören.
Als schließlich die Kinder mit ihrer Mutter nach draußen kamen, bekamen sie große Augen. Der Regen war mittlerweile verschwunden. Dafür schneiten dicke Schneeflocken herab, die die ganze Erde bereits weiß gefärbt hatten.
»Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Es gibt also doch einen Weihnachtsmann. Ich hab es doch gewusst.«
Finja war überglücklich und tanzte mit den Schneeflocken um die Wette. Leon war das Ganze nicht geheuer, dennoch glaubte er an einen Zufall.
»Wie schaut es aus, ihr drei? Wollt ihr jetzt ein richtig schönes Weihnachten feiern?«
Die Kinder erkannten die Stimme sofort. Auch Mama wusste gleich, wer hinter ihr stand. Sie drehten sich alle um und fielen Papa um den Hals.
»Mein Auftrag ist bis zum nächsten Jahr verschoben worden. Ich darf jetzt doch bei euch sein.«
Leon war überglücklich. Sein größter Wunsch zu Weihnachten war nun doch in Erfüllung gegangen.
Während sie alle zusammen nach Hause gingen, bedankte sich Leon ganz leise beim Christkind.
»Und ich werde nie wieder daran zweifeln, dass es dich gibt.«

(c) 2008, Marco Wittler

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