024. Bange machen gilt nicht (Ninas Briefe 2)

Bange machen gilt nicht

 Hallo Steffi!

 Mein heutiger Brief erreicht dich nicht von mir zu Hause, wo ich sonst immer am Schreibtisch sitze, sondern von ganz woanders.
Wie du ja schon weißt, gehe ich seit ein paar Monaten hier im Dorf in die Jungschar, diese coole Gruppe nur für Mädchen. Und da jetzt Ferien sind, sind wir alle weg gefahren. Allerdings sind wir nicht alleine, denn die Jungs aus der anderen Jungschar sind ebenfalls mit dabei. Aber die sind in der Unterzahl. Die werden sich also davor hüten, uns zu ärgern.
Und nun sitzen wir seit zwei Tagen im Sauerland auf der Burg Bilstein. Das ist eine richtige alter Ritterburg, na ja, jedenfalls von außen. Denn innen ist es mittlerweile eine Jugendherberge. Aber trotzdem ist es richtig toll hier.
Ich teile mir mein Zimmer mit fünf anderen Mädchen, mit Lena, Ilka, Doreen, Jenny und Laura aus der Schule. Wir sind echt das beste Zimmer der ganzen Truppe. Es ist nur schade, dass du nicht mitkommen konntest. Aber das ist nicht so schlimm, denn wir sehen uns ja bald wieder.
Wir sitzen aber nicht den ganzen Tag in unserem Zimmer, denn es gibt hier jede Menge Programm für uns. Um das alles kümmern sich fünf Mitarbeiter.
Da gibt es die Almut, die ist Jugendreferentin, also ist das ihr Beruf mit uns solche Fahrten zu machen. Aber sie ist echt klasse und sitzt immer mit uns herum und spielt für uns Gitarre, damit wir was zum Singen haben.
Der nächste ist der Marco. Er ist der Leiter von der Jungengruppe. Der ist sehr nett, tut aber immer so geheimnisvoll, denn er hat neben seinem normalen Gepäck noch zwei große Koffer dabei und verrät uns nicht, was da drin ist.
Der Dritte heißt Kai. Der kommt auch von der anderen Truppe. Das ist ein ganz verrückter Kerl, der hat nur Blödsinn im Kopf und ärgert immer die anderen.
Nummer Vier ist Rebekka. Die ist zwar leise und ruhig, aber unheimlich lieb und lustig.
Die fünfte heißt Steffi, so wie du. Die ist zwar auch ruhig und sieht ganz harmlos aus, hat aber immer ganz verrückte Ideen im Kopf, was man alles anstellen könnte. Sie kann dann auch so richtig hinterlistig gucken. Gut, dass sie Mitarbeiterin ist, sonst würde sie bestimmt oft Ärger von den Anderen bekommen.
Heute haben uns die Fünf mal einen ruhigen Nachmittag gegönnt. Wir mussten also nicht so anstrengende Sachen machen. Das ist auch ganz gut, denn die letzte Nacht war sehr aufregend und wir alle haben fast gar nicht geschlafen. Aber ich glaube, ich berichte lieber von Anfang an.

 Beim Abendessen kündigte uns Almut an, dass wir uns nach dem Abendprogramm noch Jacken und Schuhe bereit halten sollten, denn dann würden wir eine Nachtwanderung durch den Wald machen. Das fand ich auch gleich sehr spannen, denn so spät war ich noch nie im Wald unterwegs gewesen. Das würde bestimmt super aufregend werden.
Um halb zehn war es dann auch schon dunkel und wir marschierten los. Ein wenig mulmig war mir schon, deswegen bin ich auch die ganze Zeit mit Lena zu zweit gegangen. Da war mit dann schon nicht mehr ganz so ängstlich.
Nach einer halben Stunde kamen wir auf einer Lichtung an. Dort brannte ein Lagerfeuer und ein paar Bänke standen drum herum. Der Kai war mit dem Auto hierher gefahren und hatte das alles vorbereitet.
Also saßen wir hier eine ganze Weile, haben Stockbrot gemacht und mit Almut viele Lieder gesungen.
Zwischendurch kam Steffi auf die Idee uns ein paar Gruselgeschichten zu erzählen. Die waren richtig spannend, da machte das Zuhören richtig viel Spaß. Allerdings haben wir dann auf dem Rückweg hinter jedem Busch und Baum Monster und Gespenster gesehen. Das könnte aber auch daran gelegen haben, dass Rebekka ständig angeblich selber überall welche sah. Die wollte uns noch zusätzlich Angst machen. Aber wir kamen trotzdem heile wieder zurück auf die Burg.
Dort angekommen, stürmten wir gleich alle in unsere Zimmer und machten uns rasch, nach dem Waschen und Zähneputzen, bettfertig.
Steffi und Marco kamen dann noch durch alle Zimmer, sagten uns Gute Nacht und machten das Licht aus.
Dann ging die Tür zu und es war Ruhe. Doch ein paar Sekunden später öffnete sie sich wieder, Steffi guckte herein und warnte uns augenzwinkernd vor den Nachtgespenstern.
Als wenn sie tatsächlich glauben würde, dass uns so etwas Angst machen würde. Stattdessen schliefen wir ziemlich schnell ein, denn so eine Nachtwanderung war immer sehr anstrengend und ermüdend.
Irgendwann tief in der Nacht wurden wir dann plötzlich wieder wach. Ich saß kerzengerade in meinem Bett.
Du fragst dich nach dem Warum?
Draußen auf dem Flur gab es ganz schaurige Geräusche. Irgendwer heulte ganz laut vor sich hin und rasselte ständig mit einer Kette wie ein altes Burggespenst. Da kam uns gleich wieder der Gedanke an Steffis Warnung, trotz, dass wir wussten, dass es keine Geister gibt.
Zuerst traute sicher keiner von uns aus dem Bett. Aber dann war Jenny mutig genug, kam unter der Decke hervor und schaute vorsichtig zur Tür heraus.
Zuerst hatte sie nichts gesehen, aber auf den Blick sah entdeckte sie etwas weißes um die nächste Ecke huschen. Also doch ein Gespenst.
Inzwischen waren auch alle anderen Türen offen und jeder war wach. Etwas ängstlich schlichen wir gemeinsam zu den Zimmern der Mitarbeiter und weckten sie. Irgendwer musste uns doch schließlich helfen.
Kai war am besten vorbereitet. Er wurde zwar nur ganz langsam wach, hatte dafür aber bereits eine Geisterfalle zur Hand. Trotzdem war uns etwas mulmig dabei, denn er schnallte sich einen Staubsauger auf den Rücken und das Saugrohr richtete er drohend vor sich auf. – Jedenfalls sah es wie ein Staubsauger aus. Aber Kai versicherte uns, dass man mit diesem Ding auch Gespenster einfangen konnte.
Also taten wir uns alle zusammen und gingen auf die Jagd nach dem schlafraubenden Geist, der uns alle geweckt hatte.
Langsam schlichen wir uns, dicht aneinander gedrängt durch den Flur. Ganz vorne gingen Almut und Kai, immer bereit, ein Gespenst zu verjagen oder einzufangen. Ein paar Meter dahinter lief der Rest unserer Gruppe. Da wir nicht bewaffnet waren, mussten wir ja auch vorsichtiger sein. Aber bisher war ja auch noch nichts zu sehen.
Wir gingen gerade zum zweiten Mal an Kais Zimmer vorbei und weiter zu Marcos Tür. Als sich diese öffnete. Heraus kam aber nicht Marco, der übrigens, wie uns jetzt erst auffiel, die ganze Zeit über nicht bei uns war, sondern der Geist.
Wir schrieen sofort, aber dann schaltete Kai seine Geisterfalle an und hielt unserem Gegenüber das Saugrohr bedrohlich entgegen.
Am liebsten wäre ich sofort weggelaufen und unter meine Decke gekrochen, aber dafür hätte ich erst an diesem Gespenst vorbei gemusst.
Kai hielt dem Geist seine Waffe nun ganz nah vor dessen Bauch. Er wollte unbedingt zeigen, dass er keine Angst hatte.
Und genau in diesem Moment rief Laura von ganz hinten, dass unser Erschrecker gar nicht echt sein konnte. Es wäre garantiert Marco, der unter einem großen Bettlaken steckte. Almut solle ihn einfach unter dem Stoff hervor ziehen.
Aber das hörte das Gespenst gar nicht gern. Noch bevor irgendwer zugreifen konnte, drehte es sich um, rannte die nächste Treppe hinunter und verschwand.
Jetzt mussten wir alle erleichtert lachen. Da hatten wir so viel Angst gehabt vor einem kleinen Streich.
In diesem Augenblick öffnete sich schon wieder die Zimmertür neben uns und Marco kam ganz verschlafen auf den Flur. Er fragte, warum wir alle so viel Lärm machen würden, bei dem kein Mensch schlafen könne und verschwand, ohne eine Antwort abzuwarten, wieder in sein Bett.
Jetzt wurde uns doch wieder mulmig zumute. Wenn Marco die ganze Zeit über geschlafen hatte, wer war denn dann der Geist gewesen? War er vielleicht doch echt gewesen?
Wir wollten es gar nicht genau wissen, denn in diesem Augenblick hörten wir wieder eine rasselnde Kette klirren. Wir sahen uns nur kurz ängstlich an und liefen dann sofort in unsere Zimmer. Jeder versteckte sich unter seiner Decke.
Viel mehr hatte ich dann auch nicht mehr mit bekommen, denn ich schlief schnell ein und wachte erst am nächsten Morgen wieder auf.

So, jetzt ist der Brief auch schon wieder zu Ende, denn auf mich wartet jetzt ein Geländespiel und die anderen stehen schon draußen und rufen ständig nach mir.

Bis bald und nicht traurig sein, dass du nicht dabei sein kannst.

Deine Nina!

P.S.: Solltest du mal ein Gespenst mit Bettlaken und rasselnder Kette begegnen, dann schau doch bitte für mich nach, ob es echt ist oder ob da jemand drunter steckt.

(c) 2005, Marco Wittler

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