1015. Flaschenpostbote Knut braucht ein neues Schild (Flaschenpostbote Knut 08)

Flaschenpostbote Knut braucht ein neues Schild

Knut zog sich die blaue Jacke über, strich die Ärmel glatt und sah sich prüfend im Spiegel an. Etwas fehlte da noch. Ach, ja. Die passende Schirmmütze gehörte unbedingt auf den Kopf. Er legte den breiten Ledergürtel und seine große, schwere Tasche um. Zuletzt rückte er das Schild mit der Aufschrift FLASCHENPOST auf der Brust zurecht und nickte endlich. Er war fertig und konnte in den Tag starten.

Der Meermann, verließ er sein Haus und schwamm los. Ihm folgte ein großer Krake, der die restlichen Taschen in seinen Armen hielt. Die Flaschenpost musste ausgeteilt werden. Sein Weg führte ihn wie immer zuerst zur nahen Grundschule, wo die Kinder am Zaun schon auf ihn warteten.
»Knut! Fiete!«, stürmten sie laut rufend auf die Beiden zu. »Könnt ihr uns eines eurer verrückten Erlebnisse erzählen?«
Knut strich sich seinen Schnurrbart zurecht, dachte kurz nach und begann zu grinsen.
»Mir fällt da etwas ein. Wir waren neulich in der Stadt unterwegs, als uns ein großes Maleur passierte. Davon werde ich euch berichten.«
Auf dem Schulhof wurde es mucksfischchenstill, als Knut zu erzählen begann.

Flaschenpostbote Knut war bereit für den Tag. Seine lederne Umhängetasche war bereits mit Flaschen bis zum Rand gefüllt, weitere befanden sich in den Taschen seines neuen Mitarbeiters Fiete, der als Krake mit seinen acht Armen natürlich sehr viel mehr tragen konnte. Dafür war er aber auch um einiges tollpatschiger. Es konnte sogar vorkommen, dass er hin und wieder einen Knoten in den Armen fand und sich nicht erklären konnte, wie er entstanden war.
Sie rückten ihre blauen Schirmmützen auf den Köpfen zurecht und polierten ein letztes Mal die Schilder der Flaschenpost auf ihren Jacken. Dann verließen sie das Flaschenpostamt und machten sich auf ihre Tour.
Es ging quer durch die Stadt, von einem Ende zum anderen, durch jede einzelne Straße und einmal ganz um sie herum. Heute waren besonders viele Sendungen zu verteilen. Heute schien wirklich jeder einzelne Bürger der Stadt unter dem Meer Post zu bekommen.
»Ist das anstrengend.«, stöhnte Knut und setzte sich für eine kurze Pause auf einen großen Stein am Straßenrand. Er zog ein Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn. In diesem Moment erwachte der Stein unter seinem schuppigen Hintern zum Leben.
»Hey!«, beschwerte sich dieser. »Kannst du dich nicht woanders hinsetzen? Ich bin keine Bank, du Tölpel. Ich habe eh schon Rückenprobleme und weiß nicht, wohin mit meinen Schmerzen.«
Knut fuhr vor Schreck auf und sah nun zum ersten Mal genauer hin. Tatsächlich. Es war kein Stein, auf dem er sich hatte ausruhen wollen. Es war eine alte Meeresschildkröte.
»Das … das tut mir wirklich leid.«, stotterte Knut und entschuldigte sich. »Weißt du, meine Augen sind mittlerweile nicht mehr die Besten. Das war früher noch anders. Ich hätte schwören können, einen Stein vor mir zu haben.«
Die alte Schildkröte schüttelte den Kopf. »Dann besorg dir mal eine Brille.« Sie fuhr ihre vier Beine aus und trottete davon. Trotz ihrer Langsamkeit war sie schnell hinter der nächsten Ecke verschwunden.
Knut nahm seine Mütze ab und fuhr sich mit der Hand durch sein graues Haar. Diese Situation war ihm sehr peinlich.
»Na gut. Dann wird das wohl nichts mit der Pause. Wir setzen unsere Tour fort.«
Er klopfte sich auf die Brust und erschrak. »Wo war sein Flaschenpostabzeichen geblieben? Wo war sein Schild? Verzweifelt sah er sich um. Es war nirgendwo zu sehen.
»Beim Neptun. Ich habe mein Schild verloren. Das muss auf dem Rücken der Schildkröte hängen.«
Er schwamm zur nächsten Kreuzung, sah zu allen Seiten. Das alte Tier war aber nirgendwo zu sehen.
»Ich brauche unbedingt ein neues Schild, sonst kann ich nicht mehr arbeiten.«
Fiete schwebte schon neben ihm und hielt ihm etwas entgegen. »Vielleicht geht der hier auch. Ist zwar nur ein Ersatz, aber er möchte dir aus der Klemme helfen.«
Es war ein kleiner, gelber Seestern, der freundlich lächelte. »Moin.«, sagte er mit einer kräftigen, tiefen Stimme.
Knut lächelte zurück. Das war eigentlich gar keine so schlechte Lösung. Er setzte sich das kleine Tier auf die Brust. Jetzt konnte es wieder weiter gehen. Dass sich das Team der Flaschenpostboten auf diese Weise vergrößern würde, hätte sich Knut auch nicht gedacht.

Die Kinder der Grundschule sahen Knut und Fiete mit großen Augen an. Seesterne, die bei der Flaschenpost arbeiteten, hatte es noch nie gegeben. Zum Beweis winkte aber genau dieser Seestern ihnen zu. »Moin.«
»Ihr könnt uns glauben, alles was wir erlebt haben, ist wahr. Und mein neuer Kollege macht sich bei der Arbeit richtig gut.«
Knut, Fiete und Enno der Seestern winkten noch einmal zum Abschied, und machten sich wieder auf den Weg.

(c) 2021, Marco Wittler

Bild: Nik Karlov auf Pixabay

 

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