1100. Ich stoppte den Rudelkrieg (Mann und Manni 43)

Ich stoppte den Rudelkrieg

Es war tiefe Nacht. Nur vereinzelte Sterne schafften es mit ihrem Licht durch die wenigen Löcher in der sonst dichten Wolkendecke. Dunkelheit hatte die Stadt fest in ihrem Griff. Alles lag in den Betten und schlief tief und fest. Nur einer hatte es sich auf der warmen Heizung gemütlich gemacht und rang mit dem Schlaf. Dieser Eine war ich.
Gestatten, mein Name ist Manni. Ich bin ein grau getigerter Kater und Teil eines äußerst erfolgreichen Ermittlerteams, das unter dem Namen Mann und Manni bekannt geworden ist. Der Mann, mein Assistent, lag zu dieser Zeit schnarchend unter seiner dicken Decke. Er wurde wohl nicht von den nervigen Geräuschen gestört, die mich nicht einschlafen lassen wollten.
Irgendwann riss mir der Geduldsfaden. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich verließ meinen Platz und machte mich auf den Weg zur Haustür. Was niemand in meiner WG wusste, weder meine felligen Wegbegleiter noch die Menschen, dass ich schon vor längerer Zeit einen Weg gefunden hatte, unbemerkt das Haus zu verlassen.
Ich schlich mich unter die nahe Hecke und sah mich unauffällig nach allen Seiten um. Schnell konnte ich den Ursprung des Lärms ausmachen. Mitten auf der Kreuzung, die sich unweit unseres Hauses befand, standen sich zwei Katzenrudel gegenüber. Sie schrien und fauchten pausenlos. Es konnte sich nur noch um wenige Minuten handeln, bis es zur finalen Schlacht kommen würde. Das musste ich irgendwie verhindern. Ich musste nur zuerst den Grund für den Streit ermitteln.
Ich schlich mich näher heran, hielt mich dabei aber dauerhaft in den Schatten auf. Ich vermied es, zu früh in den Schein der Laternen zu treten. Ich wollte unbedingt den Überraschungsmoment auf meiner Seite haben.
Da! Das war es. Mitten auf dem Asphalt lag ein großes, gegrilltes Steak, dass eine der vielen Katzen aus einem der umliegenden Gärten gestohlen haben musste.
Ich setzte mich, ging die Faktenlage noch einmal gründlich durch, bewertete die Chancen auf eine Befriedung und ging schließlich mit sicherem Tritt aus dem Schatten heraus.
Mit fester Stimme rief ich beide Rudel an, machte auf mich aufmerksam. Ich blieb nur wenige Zentimeter neben dem Stück Fleisch stehen und sah die Rudelführer nacheinander immer wieder an.
Ich machte den Katzen bewusst, dass eine Eskalation des Streits nur zu Verletzten führen würde, dass es keinen Gewinner geben konnte. Es konnte dementsprechend nur eine einzige Lösung geben, um beide Seiten zufrieden zu stellen. Das Steak musste gerecht geteilt werden.
Ich legte es vor mich, fuhr meine Krallen aus und grub sie tief hinein. Alle Augen waren nun auf mich gerichtet, warteten gierig darauf, ein leckeres Stück abzubekommen.
In diesem Augenblick, in dem niemand damit rechnete, dass es Unerwartetes geschah, hob ich das Steak an und setzte mich augenblicklich in Bewegung. Ich rannte los.
Völlig überrascht, sahen sie mir für einen kurzen Moment einfach nur nach. Erst dann nahmen beide Rudel die Verfolgung auf. Auf diese Nachlässigkeit hatte ich gehofft. Sie sollte mir den Notwendigen Vorsprung bringen.
Ich hatte es nicht weit, musste nur die Straße wieder hinauf, durch die Hecke und ins Haus. Doch sie kamen mir immer näher.
Schon brannte es in meinen Lungen. Meine Beine wurden schwer, das Steak zwischen meinen Zähnen noch schwerer. Schon befürchtete ich, dass sie aufholen und mich zerfetzen würden, doch dann war ich durch meinen Geheimgang hindurch. Das Steak und ich waren in Sicherheit.
Ich legte es ab, atmete ein paar Mal tief durch und begann zu grinsen. Auf so ein leckeres Nachtmahl hatte ich mich schon lange gefreut. Ich zog mich mit dem Fleisch in eine dunkle Ecke des Hauses zurück und begann, genüsslich darauf herum zu kauen.

(c) 2021, Marco Wittler


Image by Please support me! Thank you! from Pixabay

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*