1304. Sieglinde Fledermauskraut und das Haus im Wald

Sieglinde Fledermauskraut und das Haus im Wald

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich das gerade mache.«, sagte der Schulleiter. Er übergab der kleinen, jungen Frau, die vor ihm stand, eine Schriftrolle, um die ein rotes Band geknotete war. Möge die Welt von deiner Tollpatschigkeit verschont bleiben.«
»Ich hab es geschafft!« Die kleine Hexe Sieglinde Fledermauskraut blickte auf die Schriftrolle hinab, die sie nun in hren Händen hielt. »Ich habe es doch geschafft, oder?« Verschämt sah sie sich um und verzog sich schnell auf in einen leeren Flurs des großen Gebäudes.
Sieglinde griff in ihre Manteltasche und holte eine Brille mit dicken Gläsern hervor, die sie auf ihre Stupsnase setzte. Sie rollte das Papier auseinander. Ganz oben stand in großen Buchstaben HEXENDIPLOM geschrieben.
»Ich habe es geschafft!«, jubelte sie ein zweites Mal und warf ihren Hut vor Freude in die Luft. »Jetzt bin ich eine echte Hexe.« Schnell steckte sie die Brille wieder weg. Damit wollte sie auf keinen Fall von irgendwem gesehen werden.
Sieglinde verließ das große Schulgebäude und machte sich auf den Weg in den Wald. Sie freute sich bereits riesig, endlich das Leben einer echten Hexe führen zu können. Sie wollen in einem kleinen, schrägen Häuschen wohnen, Zaubertränke brauen und bedeutungsvolle Beschwörungsformeln murmeln.
Die kleine Hexe setzte sich auf ihren alten Besen und wollte mit ihm starten, aber dabei bockte er mehrmals, bevor er endlich abhob.
Im nahen Wald landete sie auf einer Lichtung. Dort wartete bereits ein großes Paket, das in Sieglindes Abwesenheit geliefert worden. Die kleine Hexe schwang den Zauberstab und ließ die Pappe verschwinden. »Das ist mein Hexenhaus!«, freute sie sich.
Ein kleines, windschiefes Holzhäuschen mit schrägen Fenstern und krummen Dach würde nun die Heimat von Sieglinde werden.
»Aber es fehlt noch was. Mein Haus steht nicht unter den Bäumen. Es kann viel zu schnell auf der Lichtung entdeckt werden.«
Sie nahm einen kleinen Lederbeutel vom Gürtel und entnahm ihm eine Eichel. Diese legte sie neben das Hexenhaus. Mit einer kleinen Zauberformel beschwor sie eine Wolke, die auf Kopfhöhe schwebte und es kräftig regnen ließ »Und nun wachse und werde zu einer großen, kräftigen Eiche, die mich vor zu neugierigen Augen beschützt.«
Die Erde begann zu beben und riss auf. Aus dem Boden wuchs ein kleines, grünes Pflänzchen, das schnell größer wurde. Die Äste umschlangen das Hexenhaus und hoben es in die Höhe.
Nein! Das konnte unmöglich sein. Sieglinde griff zur Brille und sah ungläubig auf das, was gerade geschah.
»Aufhören! Bleib hier! .nein, nein, nein. Hör bitte auf zu wachsen.«
Sieglinge versuchte, ihr Haus festzuhalten. Sie griff zum Zauberstab und versuchte es mit einer Beschwörung. Doch das machte es nur noch schlimmer. Die Eiche wuchs unerbittlich weiter, bis sie alle anderen Bäume des Waldes überragte.
Die kleine Hexe seufzte. »Dann lebe ich jetzt wohl in einem Baumhaus.« Sie setzte sich auf den klapprigen Besen und flog in die Krone der Eiche. »Wow!« Sieglinde war begeistert. Die Aussicht hier oben ist grandios. Das war des Beste, was mir heute passieren konnte.« Sie überlegte und dachte an ihr Hexendiplom. »Das Zweitbeste.«

(c) 2022, Marco Wittler

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