1463. Der kleine Kobold auf seinem wunderlichen Kometen

Der kleine Kobold auf seinem wunderlichen Kometen

»Alle Systeme zeigen grüne Werte. Wir schwenken wie geplant in zwei Minuten in die Umlaufbahn ein.«
Der Captain des Shuttles war aufgeregt. Die nächste Phase ihre Fluges stand nun bevor. Sie würden den Mond mehrfach umkreisen, Foto- und Videoaufnahmen der Oberfläche machen, um diese dann auf der Erde später auswerten zu können. Man wollte den perfekten Ort für eine zukünftige Landung finden. Vielleicht würde dort eines Tages der erste Außenposten entstehen, an dem Menschen dauerhaft leben und forschen würden.
Der Co-Pilot tippte dem Captain auf die Schulter. Dieser wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen. »Ich glaube, wir haben ein Problem.«
Der Captain sah aus dem Fenster und sah die Gefahr ebenfalls auf sie zukommen. »Verdammt! Das ist ein Komet. Er kommt direkt auf uns zu.«
Er griff ans Headset, drückte einen Kopf und machte Meldung an die Bodenstation. »Houston, wir haben ein Problem. Da kommt etwas Großes auf uns zu. Ich leite sofort ein Ausweichmanöver ein.«
Noch während er sprach, tippten seine Finger hektisch auf dem Display. Die Steuerdüsen und der Antrieb zündeten, gaben dem Shuttle einen Schub. Mit viel Glück würden sie dem Brocken ausweichen können, aber damit auch vom Kurs abkommen.
»Was sagen die Berechnungen?«
Die Bodenstation bat noch um etwas Geduld. Die Computer brauchten für die komplizierten Berechnungen noch eine Weile.
»Ihr werdet den Kometen ganz knapp passieren. Glück gehabt. Aber damit ist die Umrundung des Mondes Geschichte. Wir müssen die Mission abbrechen. Kommt nach Hause.«
Wütend schlug der Captain auf das Pult vor sich. Sie waren so kurz davor gewesen und jetzt war die viele Arbeit, die der Mission vorausgegangen war, umsonst gewesen.
»Dann machen wir halt noch ein paar Fotos vom Kometen. Dann bringen wir wenigstens Etwas mit zur Erde zurück.«
Er griff zur Kamera und beugte sich näher an das Fenster heran.
Wie in Zeitlupe kam ihnen der Komet näher. Einzelheiten wurden sichtbar. Da waren kleine Krater, eine unebene, gelbe Oberfläche und darauf ein …
»Ein Kobold? Warum sitzt er auf dem Kometen und reitet ihn wie ein widerspenstiges Pferd?«
Der Captain rieb sie die Augen. Der Kobold war immer noch an Ort und Stelle. Auch der Blick zum Co-Piloten bestätigte ihm das Unglaube. Dieser sah den kleinen Kerl ebenfalls. Sie bildeten ihn sich nicht ein. Und nicht nur das. Der Kobold winkte ihnen verzweifelt zu.
Der Captain kurbelte das Seitenfenster herunter und steckte den Kopf nach draußen. »Was ist los? Brauchst du Hilfe?«
Der Kobold nickte. »Ich bin ein Kometenkobold. Jeder von meiner Art verbringt sein Leben auf einem Kometen. Allerdings habe ich meine Wahl sehr schlecht getroffen. Mein Begleiter besteht aus Käse.« Er seufzte laut und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Ich habe eine Laktoseintoleranz. Jedes Mal, wenn ich ein kleines Stück meines Kometen esse, muss ich ganz heftig pupsen. Deswegen hat er auch so viele Krater und Löcher. Nicht mehr lange und er wird auseinanderbrechen. Wenn ich doch nur auf einem Kekskometen leben würde. Dann wäre alles viel besser, schöner und einfacher. Ich schaffe den Wechsel aber nicht allein.«
Er zeigte mit der Hand in weite Ferne, wo ein zweiter Komet seine Bahn zog. »Zum Springen ist er viel zu weit weg.«
Der Captain verstand und nickte. Er blickte kurz auf die Tankanzeige in seinem Kontrollboard und traf eine Entscheidung. »Wir nehmen dich mit. Unsere Mission ist eh gescheitert. Dann können wir wenigstens noch etwas Gutes tun.«
Er warf dem Kobold ein Seil zu, tippte auf ein paar Tasten und steuerte das Shuttle dem Kekskometen entgegen. Schon wenige Minuten später konnte der Kobold seinen Platz wechseln.
»Ich danke euch für eure Hilfe. Jetzt muss ich auch nicht mehr so oft Bauchschmerzen haben.«
Er verabschiedete sich und verschwand mit seinem neuen Himmelsgefährt in den unendlichen Weiten des Alls.
»Und was machen wir jetzt?« Der Co-Pilot blickte den Captain unschlüssig an.
»Wir nehmen den Käsekometen mit zur Erde. Sonst wird uns eh niemand glauben, was wir gerade erlebt haben.«

(c) 2023, Marco Wittler

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*