1488. Die wichtige Aufgabe der Zahnfee

Die wichtige Aufgabe der Zahnfee

Es war Nacht geworden. Die Dunkelheit hatte sich wie eine schwere Decke über die Stand und das sie umgebende Land gelegt. Nur ein paar vereinzelte Sterne und das fahle Licht des Monds schienen zur Erde herab.
Die Menschen lagen schon seit Stunden in ihren Betten und schliefen. Niemand war mehr auf den Straßen unterwegs. Das war auch gut so, denn sonst hätte jemand etwas Sonderbares zu Gesicht bekommen.
Aus dem dunklen Schatten einer alten Eiche, der von einer einsamen Straßenlaterne auf den Boden geworfen wurde, löste sich eine Gestalt. Es handelte sich natürlich nicht um einen Menschen, denn die befanden sich gerade im Land der Träume. Ein Tier war es allerdings auch nicht. Was dort langsam einem Haus entgegen schwebte, hatte durchaus Arme und Beine, aber auch zwei schimmernde Flügel auf dem Rücken.
Die Gestalt überprüfte noch einmal ihr Werkzeug. Ein glimmender Zauberstab befand sich in ihrer Hand, ein kleiner Beutel hing an ihrer Seite an einem Gürtel. Es war alles bereit.
Sie schwebte höher, auf ein Fenster zu, welches sich wie von Geisterhand öffnete.
»Wo steht das Bett? Das Wesen drehte sich einmal im Kreis und sah sich um.«Gefunden!« Es landete. Seine Hand glitt lautlos unter das Kopfkissen des Schlafenden und holte einen Zahn hervor, der am Tag ausgefallen war. Mit Expertenauge wurde der Fund überprüft. »Der ist perfekt. Genau das, was ich brauche.«
An die Stelle des Zahn wurde ein Taler als Wiedergutmachung gelegt.
»Ich liebe es, die Zahnfee zu sein. Ich kann mit meiner Aufgabe so viele Wesen glücklich machen.«
Sie schwebte wieder aus dem Fenster, dass sich hinter ihr schloss.
Die Zahnfee suchte sich ein Versteck in einem dicht belaubten Baum. Dort verharrte sie in der Luft, holte ein Notizbuch aus ihrem Beutel und blätterte darin herum. »Hm, wo muss ich jetzt hin? Ach ja. Zum Meer. Dort werde ich schon sehnsüchtig erwartet.«
Sie machte sich auf den Weg. Dabei schwebte sie immer wieder durch watteweiche Schäfchenwolken, sie so herrlich im Gesicht kitzelten.
Nach ein paar Minuten erreichte die Zahnfee die Küste. Sie musste nicht lange suchen. Ein alter, knarzender Holzsteg war der vereinbarte Treffpunkt.
»Harald? Bist da? Ich habe deine Bestellung ausgeführt.«
Die Wasseroberfläche zerteilte sich. Der grinsende Kopf eines großes Hais kam zum Vorschein.
»Du kommst gerade richtig, liebe Zahnfee. Mir ist nämlich schon wieder einer meiner Zähne ausgefallen. Ich hätte ihn gern wieder an seinen Platz gesteckt, konnte ihn aber nicht mehr finden. Dabei wollte ich mir gerade ein leckeres Butterbrot schmecken lassen, das am Abend einem Fischer über Bord gefallen ist.«
Der Hai öffnete sein Maul und präsentierte die neue Lücke. Mittlerweile fehlten ihm mindestens zwanzig Zähne.
Die Zahnfee griff zu ihrem Beutel und schüttete den Inhalt in ihre Hand. »Dann schaue ich doch mal, was dir passen könnte.«
Nach und nach probierte sie die eingetauschten Zähne an und füllte mit ihnen die Lücken, bis der Hai wieder ohne Scham grinsen und lachen konnte.
»Vielen Dank. Du bist die Allerbeste. Ich werde dich allen meinen Freunden empfehlen.« Der Hai nickte ihr zu und tauchte wieder ab.
Die Zahnfee seufzte, dann lachte sie herzhaft. »Dann muss ich in Zukunft wohl noch mehr Zähne besorgen, wenn ich alle Haie der Umgebung versorgen soll.«

(c) 2023, Marco Wittler

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