1533. Teddy wird gestohlen

Teddy wird gestohlen

Im Rucksack war es eng, stickig und dunkel. Trotzdem war Teddy gut gelaunt. Er saß hier nämlich mit seinen zwei besten Plüschfreunden und war auf dem Weg in die Stadt. Papagei Bunti war so aufgeregt, dass er ohne Pause redete, während sich Kroki, das Krokodil genervt die Ohren zuhielt und gar nichts mehr sagte.
»Ob uns unsere Menschen neue Klamotten kaufen?«, nutzte Teddy eine kurze Pause von Bunti aus. »Mein T-Shirt schon ziemlich alt und verwaschen. Ich hätte gern ein Neues.« Noch während er darüber nachdachte, ob er auf seinem neuen Kleidungsstück einen Aufdruck von Lego Ninjago oder einem großen Transformer haben wollte, wurde er ganz plötzlich und unsanft aus seinen Gedanken geholt. Jemand schien mit grober Gewalt am Rucksack zu ziehen.
»Hey, hier sind drei Plüschtiere an Bord. Geht bitte etwas vorsichtiger mit uns um.« Doch statt etwas mehr Ruhe, schien der ihr Besitzer nun mit ihnen durch die Straßen zu rennen. »Da stimmt irgendwas nicht. Das macht er doch sonst nicht.« Teddy wollte nach gerade nach dem Rechten schauen, als der wilde Lauf endete, der Reißverschluss geöffnet wurde und ein fremdes Gesicht hereinblickte.
»Hä? Was soll denn der Mist? Da ist ja gar nichts Wertvolles drin. Nur ein paar olle Plüschtiere und Spielzeugautos. Es hätte wenigstens ein teures Handy dabei sein können. Wie können die Leute in der Stadt nur so respektlos zu uns Taschendieben sein?«
Teddy erschrak und sah die panischen Augen von Bunti und Kroki vor sich. »Jetzt nur nicht durchdrehen, Freunde. Wir kommen aus der Nummer schon irgendwie heile raus. Das verspreche ich euch.«
Der Fremde steckte seine große Hand in den Rucksack und suchte noch einmal nach etwas, das sich zu klauen lohnte, konnte aber nichts finden.
Die Hand verschwand. Waren sie nun in Sicherheit? Nein. Ein neuerlicher Ruck ging durch die Plüschtiere. Der verärgerte Taschendieb hatte seine Beute weggeschleudert.
Teddy blickte nach draußen. Mehrere Bäume und Büsche schienen an ihnen vorbei zu fliegen. Er wusste aber, dass es genau andersherum war. »Haltet euch fest! Wenn ihr auf dem Boden aufschlagen, könnte es sehr ungemütlich werden.«
Teddy kreuzte seine Finger. Er hoffte, auf einer Wiese zu landen. Stattdessen sah er ein tiefes, schwarzes Loch, auf das sie ungebremst zurasten. »Gullydeckel!«, schrie er laut. »Da ist ein Gullydeckel!«

Der Rucksack stürzte in die Schwärze, die keinen Lichtstrahl aufnahm. Es waren die Pfoten, Klauen und Krallen nicht mehr vor den eigenen Augen zu erkennen. Sie rumpelten hin und her, schlugen mehrmals gegen Wände, bis sie auf den Boden knallten.
»Ist bei euch alles in Ordnung? Ist jemand verletzt?« Teddy betastete zuerst seine Freunde, dann sich selbst. Nirgendwo war Plüsch aufgerissen, niemand hatte seine weiche Füllung verloren. Sie hatten es überlebt. »Dann müssen wir nur irgendwie aus der Kanalisation kommen.«
Hm. Teddy legte die Stirn in Falten. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er durch die Öffnung des Rucksacks ein grönliches Licht wahrnahm und die Stimmen unzähliger Tiere. »Das klingt nicht wie ein Abwasserkanal. Wir sind irgendwo gelandet, nur nicht unter der Stadt.« Er lugte nach draußen und riss die Augen auf. »Wow!« Sie befanden sich in einem Wald, in dem alle Pflanzen viel größer waren, als er sie von jedem Ausflug ins Grüne kannte. »Das glaubt ihr niemals. Das würde ich selbst nicht glauben, wenn ich es nicht sehen würde. Keine Ahnung, wie wir hierher gekommen sind, aber wir befinden uns in einem mächtigen Wald.«
Nun kletterten auf Bunti und Kroki aus dem Rucksack. Dabei fiel dieser um. Die Spielzeugautos fielen zu Boden. Die Plüschtiere achteten nicht darauf, denn sie waren zu sehr von ihrer Umgebung fasziniert.
Nach ein paar Minuten begann zu rumpeln. Die Erde bebte. »Da kommt jemand. Versteckt euch!« Teddy, Bunti und Kroki schlüpften hinter einen Baumstumpf. Einen Augenblick später kam ein riesiger Dinosaurier, ein Tyrannosaurus Rex aus dem dichten Grün. Ohne es zu bemerken, trampelte er auf den Rucksack. Dass er beim nächsten Schritt auf die Spielzeugautos trat, wurde ihm dafür umso schmerzlicher bewusst. Er rutschte weg und stürzte auf den Boden. »Au! Aua! Autsch! Wer hat hier sein Spielzeug nicht richtig aufgeräumt? Ich bin verletzt.«
Die Plüschtiere kamen aus ihrem Versteck. Der Dino entdeckte sie sofort, nahm sie mit einem seiner Augen ins Visier und riss sein Maul weit auf, dass man die messerscharfen Zähne im Sonnenlicht aufblitzen sehen konnte. »Wir sind verloren.« Teddy wusste, dass sie nur noch wenige Sekunden hatten. Der Tyrannosaurus Rex würde sie fressen. Sie hatten keine Chance mehr, nach Hause zu kommen. Es war vorbei.

Im Garten saß ein trauriger Junge unbewegt auf seiner Schaukel. Er fühlte sich schrecklich einsam, seit ihm vor ein paar Stunden der Rucksack mit seinen Lieblingskuscheltieren gestohlen worden war. Wie sollte er sie nur wieder zurückbekommen? Wie sollte er ohne sie jemals wieder glücklich werden?
Immer wieder ließ er seinen Blick hin und her wandern, als würde der Rucksack plötzlich auf der Wiese liegen oder zumindest in der Nähe auftauchen, als er etwas aufblitzen sah. »Was ist denn das?«
Der Junge, Paul war sein Name, stand auf, ging zum Busch am Zaun und setzte sich auf den Rasen. Er fand eine Flasche, die halb in der Erde vergraben lag. Sie war schmutzig, das Glas so alt, dass man nicht ins Innere blicken konnte. »Na, toll. Das sind nicht meine Plüschies. Das ist nur Müll.« Schon wollte er die Flasche entsorgen, als ihm auffiel, dass sie mit einem Korken verschlossen war. »Ist das eine Flaschenpost? Wie kommt die denn hierher? Das Meer ist doch ganz weit weg.«
Der Junge zog den Korken heraus, schüttelte die Flasche, aus der ihm ein aufgerolltes Blatt Papier entgegen fiel. Er entrollte es und begann zu lesen.

Lieber Paul.
Wenn dich unsere Nachricht erreicht, wird für uns sehr viel Zeit vergangen sein. Wir, deine Freunde Teddy, Bunti und Kroki haben ein unglaubliches Abenteuer erlebt.
Der Taschendieb, der uns gestohlen hat, warf uns mitsamt des Rucksacks achtlos fort. Wir fielen leider nicht in einen Garten oder eine andere Ecke. Nein, wir stürzten in einen offenen Gullydeckel, in den sich ein schwarzes Loch befand, dass uns durch Raum und Zeit reisen ließ. Wir strandeten in der Zeit der Dinosaurier vor vielen Millionen Jahren. Nur zu gern hätten wir uns auf die Suche nach einem Rückweg gemacht, aber dann passierte irgendwie alles auf einmal. Die Spielzeugautos fielen auf den Waldboden. Ein riesiger Tyrannosaurus Rex kam gerade vorbei, trat auf sie und stürzte. Er brach sich dabei ein Bein und konnte nicht mehr allein laufen. Du kannst dir bestimmt vorstellen, wie schwer es uns fiel, ihm nicht zu helfen. Irgendwer musste ihm doch etwas zu futtern und zu trinken besorgen. Wir entschlossen also, in der Vergangenheit zu bleiben. Damit du dich aber nicht zu sehr um uns sorgen musst, habe ich dir diese Nachricht geschrieben und sie an der Stelle vergraben, in der du irgendwann im Garten sitzen wirst. Ich hoffe, dass du sie inzwischen gefunden hast.
Wenn es unserem Freund irgendwann besser geht, machen wir uns gemeinsam auf die Suche nach einem Rückweg. Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, ob wir es überhaupt schaffen, aber wir geben uns die größte Mühe, die nicht allein zu lassen.

Viele liebe Grüße
Bunti, Kroki und Teddy

(c) 2023, Marco Wittler

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