154. Der Besuch

Der Besuch

Niklas stand mitten im Wohnzimmer und sah sich um. Die Girlanden hingen unter der Decke, im DVD-Abspieler lag ein Gruselfilm und auf dem Tisch standen Getränke und Knabberzeug. Der Halloweenfeier stand nichts mehr im Weg.
»Hoffentlich merken Mama und Papa nichts davon.«
Er stellte sich ein letztes Mal vor den Spiegel und zupfte seinen Vampiranzug zurecht. Das Blut am Mundwinkel sah fast echt aus. Nur die Plastikzähne drückten etwas gegen das Zahnfleisch.
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Niklas ging in den Flur und öffnete. Vor ihm standen zwei Geister. Jedenfalls versuchten die beiden Kinder auf dem Fußabtreter solche darzustellen.
»Süßes oder Saures!«, flüsterten sie.
Niklas verdrehte die Augen und grinste.
»Ihr beiden seid echt unschlagbar. Fast wäre ich darauf herein gefallen.«
Er zog die beiden Gespenster an ihren Laken mit ins Haus.
»Aber wir dürfen nicht zu laut sein, sonst bekommen unsere Nachbarn etwas mit und verpetzen mich dann an meine Eltern.«
Die Gespenster nickten stumm und setzten sich auf das Sofa.
Niklas brachte einige Dinge ins Wohnzimmer. Er hatte ein paar Butterbrote gemacht, die er nun seinen Freunden Daniel und Steffen vorsetzte.
»Lasst es euch schmecken und nehmt auch noch etwas vom Kakao, den habe ich selber angerührt.«
Während des Essens dudelte etwas Musik aus dem Radio und Niklas erzählte seinen Gästen etwas über die Schule. Seltsamerweise bekam er kaum eine Antwort. Nur hin und wieder flüsterte einer der beiden etwas kaum Verständliches.
»Ihr habt eure Rollen aber wirklich gut einstudiert. Aber ihr müsst euch nicht die ganze Zeit wie Gespenster aufführen. Wir wollen doch noch eine Menge Spaß zusammen haben.«
Die beiden Bettlaken nickten und lehnten sich zurück.
»Wollen wir uns einen Film anschauen?«
Niklas sprang auf und schaltete den Fernseher ein. Er drückte ein paar Mal auf verschiedenen Fernbedienungen herum, bis schließlich der Film begann.
»Kinderland in Geisterhand ist mein absoluter Lieblingsfilm.«, erzählte er während des Vorspanns.
»Da verschwinden ständig Kinder in einem großen Möbelgeschäft und keiner weiß warum. Der ist unheimlich spannend und gruselig.«
Der Fernseher flackerte vor sich hin, die Getränke und Salzstangen verschwanden in den Mägen der Kinder und Niklas gruselte sich, obwohl er den Film schon mindestens fünfmal gesehen hatte. Erst eineinhalb Stunden später waren die Geister vertrieben und alle verschwundenen Kinder befreit.
In diesem Moment standen die beiden Bettlaken vom Sofa auf.
»Was ist denn los? Müsst ihr etwa schon gehen?«
Sie nickten und wollten sich gerade Richtung Tür begeben, als dort ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde.
Niklas erschrak.
»Das sind meine Eltern. Sie kommen viel zu früh nach Hause. Schnell! Versteckt euch im Garten.«
Er öffnete die Terassentür, schob seine Freunde nach draußen und sah ihnen verwundert nach, wie sie über den Rasen schwebten.
»Habt ihr etwa Rollschuhe an den Füßen?«
Er schloss die Tür und lief seinen Eltern entgegen.
»Hallo Niklas. Schau mal, wen wir draußen auf dem Gehweg getroffen haben.«
Hinter seiner Mutter standen zwei Jungs in schaurigen Piratenkostümen. Es waren Daniel und Steffen.
»Aber wir seid ihr so schnell …«, weiter kam Nikla nicht, denn es dämmerte ihm ein Verdacht.
Er lief schnell ins Wohnzimmer und sah sich um. Dort wo die beiden Bettlaken auf dem Sofa gesessen hatten, lagen die vielen Salzstangen und schwammen in einer Pfütze aus unzähligen Getränken.
Waren sie doch richtige Geister gewesen und alles, was sie gegessen und getrunken hatten war durch sie hindurch gefallen?
Niklas erschauerte bei dem Gedanken.

(c) 2008, Marco Wittler

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