Es gibt Suppe
Marcel kam am Mittag von der Schule nach Hause. Er warf seinen Schulranzen in die Ecke und setzte sich beleidigt in sein Zimmer.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte Mama, als sie den Kopf zur Tür herein schob.
»Die Schule ist doof. Da gehe ich nie wieder hin.«
»Was ist denn passiert?«
Marcel drehte sich weg. Er wollte nicht darüber reden. Doch dann überlegte er es sich anders und begann zu erzählen.
»Die Schule war viel besser als der Kindergarten. Da haben wir jeden Tag Spiele gemacht, die nur für uns große Kinder da sind. Aber heute wollte uns die Lehrerin doch tatsächlich etwas beibringen. Sie hat verlangt, dass wir lernen, wie man Buchstaben liest. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich lieber im Kindergarten geblieben. Lesen ist einfach blöd.«
Mama war verblüfft und wusste gar nicht, was sie darauf antworten sollte.
»Das wird schon wieder.«, murmelte sie schließlich und ging wieder in die Küche, um sich um das Mittagessen zu kümmern.
Eine Viertelstunde später, als auch Elisa endlich vom Gymnasium zurück gekehrt war, gab es endlich etwas zu essen.
»Was gibt es denn heute?«, fragte Marcels große Schwester.
»Es gibt Suppe.«, antwortete Mama.
Schlecht gelaunt kam Marcel in die Küche und setzte sich. Er warf einen Blick in den großen Topf und sofort begannen seine Augen zu leuchten.
»Juhu, es ist eine Nudelsuppe. Das ist mein Lieblingsessen.«
Sofort nahm er sich eine extra große Portion und begann zu essen.
Während er die Suppe in sich hinein löffelte, fiel sein Blick immer wieder auf den Teller seiner Schwester.
»Warum isst du denn nichts? Was machst du denn da?«
Elisa hob vorsichtig eine Nudel nach der anderen aus dem Teller und platzierte sie auf den Rand.
»Ich schreibe ein paar Wörter auf meinen Teller.«, antwortete sie.
»Das mache ich immer, weil es lustig ist.«
»Schreiben?«, fragte Marcel
Er warf einen Blick in seine Suppe. Erst jetzt fiel ihm auf, dass alle Nudeln die Form von Buchstaben hatten.
»Aber was schreibst du denn da? Das will ich unbedingt wissen.«
Er griff sich Elisas Teller und sah nach.
»Du kannst doch gar nicht lesen. Das ist dir doch bestimmt viel zu blöd.«, neckte ihn seine große Schwester.
»Aber trotzdem will ich wissen, was da steht.«
Doch so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm einfach nicht, aus den Buchstaben Wörter heraus zu lesen.
»Das ist so fies. Du kannst lesen und ich nicht. Ich will das auch können.«
Nun musste Mama lachen.
»Dann wirst du doch auch bestimmt Morgen wieder in die Schule gehen. Denn nur dort wirst du Lesen lernen.«
Marcel hielt seine Nase hoch in die Luft.
»Darauf könnt ihr euch verlassen. Ich werde der beste Leser der ganzen Klasse. Und nun will ich endlich wissen, was da auf dem Teller steht.«
Elisa zog ihren Teller wieder zurück und begann zu lesen.
»Morgen wird Marcel mit Freuden in der Schule lesen lernen.«
Nun musste alle gemeinsam lachen.
(c) 2009, Marco Wittler
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