575. Nik und Nele in den Wolken (Nik und Nele 02)

Nik und Nele in den Wolken

Ein langweiliger Tag neigte sich dem Ende zu. Schon am frühen Morgen versteckte sich die Sonne hinter einer dicken Wolkendecke und kam bis zum Abend auch nicht dahinter hervor.
»Hab ich dir schon mal gesagt, dass ich den Herbst nicht leiden kann?« beschwerte sich Nele bei ihrem Zwillingsbruder Nik.
»Geht mir aber auch so. Nur der Sommer ist richtig cool. Da ist es schön warm, die Sonne scheint und man kann die ganze Zeit draußen spielen.«
Nik sah durch das Fenster nach draußen und seufzte. »Wenn wir bloß was Tolles unternehmen könnten.«
In diesem Moment steckte Mama ein letztes Mal ihren Kopf durch die Tür ins Zimmer.
»Seit ihr schon fertig für’s Bett? Es ist schon nach acht Uhr. Jetzt wird geschlafen.«
Nik seufzte ein zweites Mal und kletterte am Etagenbett nach oben.
»Schlaft gut, meine Süßen.«
Mama pustete ihren beiden Kindern einen Luftkuss entgegen, knipste das Licht aus und schloss die Tür hinter sich.
Nele grinste in der Dunkelheit vor sich hin. »Warum besuchen wir nicht einfach einen Ort, an dem das Wetter vielleicht etwas besser ist?«
Sie hüpfte leise aus dem unteren Bett und schaltete das Licht wieder an. Dann holte sie ein großes Weltraumlexikon aus dem Regal und blätterte durch die Seiten, bis sie schließlich ihren Zeigefinger auf ein Foto drückte.
»Titan.« sagte sie.
Nik legte seine Stirn in Falten.
»Weißt du denn gar nichts?« fragte Nele und verdrehte die Augen.
»Titan ist ein Mond, der seine Bahnen um den Planeten Saturn zieht. Ich habe vor ein paar Tagen gelesen, dass es dort Meere geben soll. Und an Meeren gibt es normalerweise auch Sonnenschein.«
Sie grinste wieder. »Stell dir das doch nur mal vor. Wir liegen dort am Strand, lassen die Füße ins Wasser baumeln und über uns glitzern die Ringe des Saturns im Sonnenlicht. Klingt das nicht romantisch?«
Nun war es an Nik, die Augen zu verdrehen. Immer diese Mädchen mit ihrem Romantikkram. Das brauchte doch nun wirklich kein Mensch.
»So ein Blödsinn. Das ist voll langweilig. Ich will Sandburgen bauen, plantschen und mich im Strand eingraben lassen, bis nur noch der Kopf raus guckt. Das macht viel mehr Spaß.«
»Also fliegen wir hin?« wollte Nele ungeduldig wissen.
»Jaaa.«
Sie setzten sich gemeinsam auf das untere Bett. Nele legte ihr Kopfkissen zur Seite. Zum Vorschein kam ein großer, roter Knopf, den sie kräftig drückte.
»Fliegen wir zum Titan.«
An den Seiten des Etagenbettes hoben sich durchsichtige Scheiben empor umd schlossen die beiden Kinder in sich ein. Die Türen des Balkons schwangen auf, während sich das Bett langsam vom Boden erhob und nach draußen schwebte. Nik und Nele flogen zum Himmel hinauf, durchbrachen die Wolkendecke und verschwanden zwischen den unzähligen Sternen.
Mit unglaublicher Geschwindigkeit rasten die Zwillinge in ihrem fliegenden Bett durch das All. Es ging vorbei an großen Planeten und kleinen Asteroiden, bis schließlich der Saturn in Sichtweite kam und schnell größer zu werden schien.
»Schau mal.« rief Nik lachend. »Der Saturn hat einen Ring. Er ist verheiratet. Würde mich mal interessieren, wer seine Frau ist, die kann ich nämlich nirgendwo entdecken.«
In diesem Moment schob sich ein kleiner, runder Schatten vor den riesigen Planeten.
»Das ist Titan.« erklärte Nele. »Wir werden in ein paar Minuten landen.«
Tatsächlich kam das fliegende Etagenbett dem Schatten, der sich bald als ein Mond zu erkennen gab, immer näher, drang in dessen Atmosphäre ein und landete schließlich am Ufer eines Meeres. Die schützenden Glasscheiben verschwanden und die beiden Kinder stiegen aus.
»Ein Strand! Ein Strand!« rief Neele begeistert und sah zum Himmel hinauf.
»Und da sind die Saturnringe. Das ist sooo romantisch. Wenn doch jetzt nur der Jonas hier wäre.«
Sie seufzte, während sie an den hübschen Jungen aus ihrer Klasse dachte.
In diesem Moment wurde es dunkel und laut über dem Meer. Der Saturn verschwand hinter einem riesigen …
»Was ist das denn für ein Ding?« wollte Nik wissen.
»Sieht wie ein Raumschiff aus.« rief ihm Nele zu.
»Das ist aber riesig.«
Es setzte zur Landung an. Doch statt auf dem Land nieder zu gehen, tauchte es zur Hälfte ins Wasser ein. Ein lautes Zischen war zu hören und ein Teil des Wasser verdampfte innerhalb weniger Sekunden.
»Der heiße Antrieb des Raumschiffs verwandelt das Wasser in Dampf.« war Nele enttäuscht. Denn aus dem Dampf bildete sich eine riesige Wolke, die Daturn und Sonne komplett verdeckte.
»Schon wieder schlechtes Wetter.« war Nik enttäuscht. »Das ist ja wie zu Hause.«
Das Raumschiff öffnete sich. Unzählige Außerirdische stiegen eine lange Rampe hinab. Die Männer hatten Digitalkameras in den Händen, die Frauen waren mit Sonnenschirmchen geschmückt.
»Wir sollten hier verschwinden.« entschied Nele enttäuscht.
»Das ist ein großes Touristenraumschiff. In ein paar Minuten wird der Strand so voll sein, dass wir hier keinen Platz für uns finden werden.«
Also setzten sie sich wieder in ihr Bett und flogen zurück zur Erde.

Ein paar Tage später saßen die Zwillinge mit Papa vor dem Fernseher. Es wurde gerade darüber berichtet, dass die amerikanische Weltraumbehörde NASA aufregende Fotos vom Saturnmond Titan gemacht hatte.
»In den letzten Jahren hat die Raumsonde Cassini immer wieder Fotos von Titan geschossen.« erklärte der Nachrichtensprecher. »Wie sie deutlich sehen können, befindet sich derzeit ein großer weißer Fleck darüber. Ältere Fotos zeigen diesen mal gar nicht und mal in anderer Form und Größe. Um was es sich dabei genau handelt weiß im Moment noch niemand. Aber das ist es, so ein NASA-Sprecher, worauf es in der Raumfahrt und der Beobachtung des Weltalls ankommt: Die Entdeckung und Erforschung neuer Geheimnisse.«
Nik und Nele grinsten sich gegenseitig an. Sie wussten genau, was dieser Fleck war und warum er immer wieder auftauchte.

© 2014, Marco Wittler

Info:
Der Planet Saturn ist 1.43 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Das ist fast zehn Mal so weit, wie die Erde. Er besitzt nicht nur einen, sondern ganze 62 Monde. Einer von ihnen ist Titan, auf dessen Oberfläche Meere und Seen entdeckt wurden. Baden kann man darin nicht, denn dafür ist es dort zu kalt und atmen kann man auf dem Mond auch nicht. Seine Luft ist für uns giftig.
Vor ein paar Jahren hat die Raumsonde Cassini begonnen, Fotos vom Saturn und seinen Monden zu machen. Darauf ist tatsächlich ein weißer Fleck zu sehen. In den letzten sieben Jahren wurden drei Bilder gemacht. Mal ist der Fleck da, mal nicht. Wenn er zu sehen ist, hat er verschiedene Formen.
Was dieser Fleck ist und wie er entsteht, können die Wissenschaftler noch nicht sagen. Es könnte eine Wolke sein, aber auch einfaches Leben, zum Beispiel kleine Bakterien, die in großer Zahl an dieser Stelle leben. Es könnte aber auch etwas ganz anderes sein.

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