Warten auf den Weihnachtsmann
Noch nie hatte ihn jemand zu Geischt bekommen. Naja, zumindest hatte ihn noch kein Kind gesehen, denn die Erwachsenen behaupteten immer wieder, dass sie mit ihm in engem Kontakt stehen würden. Der Weihnachtsmann war das letzte, große Geheimnis dieser Welt, das es noch aufzudecken gab. Einer, der sich daran beteiligte, war Paul.
Paul hatte sich mit seinem besten Freund Finn abgesprochen. Gemeinsam wollten sie in der Weihnachtsnacht wach bleiben, um den Weihnachtsmann auf frischer Tag zu ertappen. Sie wollten beide sehen, wie er mit dem Geschenkesack den Kamin herunter kam.
Nachdem Mama und Papa ins Bett gegangen waren, stand Paul wieder auf und schlich sich heimlich ins Wohnzimmer zurück. Dort machte er es sich mit einer Packung Keksen, einer Flasche Milch und einer dicken Wolldecke gemütlich. Um nicht doch noch einzuschlafen, hatte er sich sein Lieblingsbuch mitgenommen.
Stunde um Stunde verging, aber bisher war der Weihnachtsmann noch nicht aufgetaucht. Auch bei Finn, mit dem er sich per Handys Nachrichten schrieb, hatte sich bisher nichts getan.
Also steckte Paul seine Nase weiter in sein Buch und las weiter. Aber mit jeder Seite wurde er müder. Irgendwann begannen die einzelnen Buchstaben scheinbar vor seinen Augen zu tanzen. Sie hüpften von oben nach unten und von links nach rechts. Sie tauschten ihre Plätze und verwirrten ihren kleinen Leser, wie sie nur konnten.
Irgendwann verdrehte Paul die Augen und rieb sie sich kräftig. Dann gähnte er laut.
„Puh, ist das anstrengend. Ich hätte nicht gedacht, dass Warten so müde machen kann.“
Er aß ein paar Kekse, trank einen großen Schluck Milch und versuchte es weiter mit seinem Buch. Immer wieder sah er verstohlen zum Kamin. Aber dort war niemand zu sehen.
Ein paar Minuten später begannen Pauls Augenlider zu flattern. Er konnte sie kaum noch offen halten und gähnte nun immer öfter. Kurz darauf war er eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wurde er von der Sonne geweckt. Er sah sich schnell um. Unter dem Christbaum lagen Geschenke. Die Kekse, die noch vor ein paar Stunden neben ihm lagen, waren komplett aufgegessen, die Milchflasche war leer.
„Verdammt. Ich hab ihn verpasst.“
Er schrieb eine Nachricht an Finn. Auch sein Freund war irgendwann eingeschlafen und hatte niemanden im Wohnzimmer gesehen.
Verärgert stand Paul auf und wollte in sein Zimmer gehen. Da fiel sein Blick auf einen Brief, der am Abend noch nicht da gewesen war. Er öffnete den Umschlag, holte einen Zettel hervor und las, was darauf geschrieben stand.
Lieber Paul.
Vielen Dank, dass du versucht hast, auf mich zu warten. Es ist nicht schlimm, dass du dabei eingeschlafen bist. Ich bin nachts auch immer müde. Aber vielleicht sehen wir uns ja im nächsten Jahr.
Dein Weihnachtsmann
Paul staunte. Es gab den Weihnachtsmann tatsächlich. Dieser Brief war der Beweis. Oder vielleicht doch nicht? Er wusste es einfach nicht. Deswegen nahm er sich jetzt schon vor, im nächsten Jahr einen neuen Versuch zu starten.
Zur gleichen Zeit landete der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten am Nordpol. Bevor er ausstieg, bedankte er sich noch bei seinem guten Freund, dem Sandmännchen.
„Vielen Dank, mein Freund.“, sagte er schmunzeld. Wenn du nicht helfen würdest, hätte mich schon längst ein Kind entdeckt. Aber mit deinem Sand bekommst du sie alle zum Schlafen.“
(c) 2017, Marco Wittler
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