620. Volles Haus

Volles Haus

Tief in der Nacht öffnete sich die Tür zum Kinderzimmer. Tommi lag unter seiner Decke und schlief tief und fest. Das jemand herein kam, bekam er gar nicht mit. So verpasste er den dicken Mann mit weißem Bart und rotem Mantel.
Es war der Weihnachtsmann, der sich auf leisen Sohlen herein schlich. Er sah sich um und hielt Ausschau nach einem guten Platz, um das Weihnachtsgeschenk abzulegen. Da sich im Wohnzimmer in diesem Jahr kein Christbaum befand, musste er auf der Kinderzimmer ausweichen.
Der Weihnachtsmann wollte gerade wieder gehen, als sich hinter ihm die Tür öffnete. Sofort bekam er Schweißperlen auf der Stirn. Würde man ihn entdecken oder konnte er noch rechtzeitig ein Versteck finden?
Nein, nicht mit seinem dicken Bauch. Also wartete er einfach auf das, was passieren würde. Statt eines anderen Kindes oder Timmis Eltern kam ein alter Mann mit weißem Bart und dickem Bauch herein.
„Du hier? Ein wenig spät, meinst du nicht auch?“
Der zweite Mann wurde rot im Gesicht und sah verschämt zu Boden.
„Tut mir leid. Ich hab es nicht eher geschafft. An Nikolaus lag ich mit Grippe im Bett.“
Der Nikolaus wollte gerade ein Geschenk aus seinem Sack holen, da begann es vor seinen Augen zu glitzern. Dann erschien vor seinen Augen eine Frau mit wunderschönen Flügeln am Rücken.
„Oh je.“, sagte sie entschuldigend. „Ich wusste nicht, dass ihr in diesem Zimmer bei der Arbeit seid.“
Der Weihnachtsmann seufzte.
„Ich wäre auch schon längst weg, wenn mich der Nikolaus nicht aufgehalten hätte. Und wenn wir schon dabei sind, was machst du eigentlich hier?“
Die Frau lächelte und holte einen Taler aus einem Beutel.
„Ihr wisst doch, dass ich die Zahnfee bin. Tommi hat heute einen Zahn verloren und ihn unter sein Kopfkissen gelegt. Es ist mein Job, ihn einzutauschen.“
„Ja. Das stimmt. Das kann ich nur bestätigen. Die Zahnfee macht nur ihre Arbeit.“, hörten sie plötzlich aus dem Flur.
Die drei Anwesenden drehten sich erschreckt um und blickten in das Gesicht des Christkinds.
„Und ich mache auch grad nur meine Arbeit.“, sagte es entschuldigend und quetschte sich mit in das kleine Kinderzimmer.
„Ihr wisst schon. Geschenke und so.“
„Und nicht nur Geschenke.“, brummte plötzlich eine düstere Stimme durch den Raum.
Mitten unter ihnen wurde plötzlich jemand sichtbar. Zuerst konnte man noch nur seinen Körper hindurch sehen wie durch einen Geist. Doch dann gewann er immer mehr an Gestalt.
„Gestatten, Knecht Ruprecht oder auch der Krampus. Wie es euch auch immer belieben mag.“
Der grimmig ausehende Mann blickte von einem Gesicht zum nächsten.
„Hat hier jemand nach mir gerufen? Gibt es hier ein Kind, das unartig war und die Rute verdient hat?“
„Nein!“, stöhnte der Nikolaus. „Du bist hier ganz falsch. Hast dich wohl im Haus geirrt.“
„Sagt mal, könnt ihr nicht mal etwas leiser reden oder einfach verschwinden? Tommi und ich versuchen hier in Ruhe zu schlafen.“
Zehn Augen richteten sich ängstlich auf das Bett. Waren sie nun doch erwischt worden?
Im Arm des Jungen lag ein kuschliger Hase, der ziemlich sauer aussah. Es war der Osterhase.
„Was machst du denn hier?“, fragten fünf Münder gleichzeitig.
„Ist mein Nebenjob.“, erklärte der Hase grinsend. „Ich habe nur einen Tag im Jahr Arbeit. Deswegen bin ich die restliche Zeit Tommis Kuscheltier. Und jetzt macht euch auf die Socken und verschwindet. Wir wollen schlafen und ihr habt eure Aufgaben zu erledigen.“
Nikolaus, Weihnachtsmann und Christkind legten ihre Geschenke auf den Schreibtisch und gingen durch die Tür nach draußen. Die Zahnfee tauschte den verlorenen Zahn gegen einen Taler und verschwand gleichzeitig mit Knecht Ruprecht in einer Glitzerwolke.
„Na endlich.“, seufzte der Osterhase. „Ich dachte schon, ich komme gar nicht mehr in den Schlaf.“

(c) 2017, Marco Wittler

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