655. Das Monster im Schrank

Das Monster im Schrank

»Bald ist es wieder so weit.«, freute sich das Monster im Schrank des Kinderzimmers, als es auf seinen Kalender sah.
»Bald ist Halloween. Dann werde ich aus meinem Versteck hervor kommen, damit ich Angst und Schrecken unter die Menschen bringen kann.«
Es kroch etwas nach vorn und schob dabei die Jacken und Pullover zur Seite, die auf der Kleiderstange hingen. Dann warf es einen Blick auf den Jungen, der unbesorgt auf seinem Bett und ein Buch las.
»Mit diesem Bengel, der von allen nur Finn genannt wird, werde ich beginnen. Ich werde mich auf ihn stürzen und ihn das Fürchten lernen.«
Das Monster ließ ein leises, heiseres Lachen seiner Kehle entrinnen.
»Er wird sich den Rest seines Lebens nicht wieder davon erholen. Danach werde ich mir seine anderen Familienmitglieder vornehmen. Ich werde seine Eltern ängstigen, seine kleine Schwester in Panik versetzen und die alte Oma zu Tode erschrecken. Ja, genau das werde ich machen.«
Es zog sich wieder in die Dunkelheit des Schrankes zurück und feilte weiter an seinem teuflischen Plan.
»Und wenn ich erst mit der Familie fertig bin, werde ich auf der Straße weiter machen und jeden Menschen erschrecken, der mir über den Weg läuft. Das wird mein ganz großes Jahr. Das wird mein bestes Halloween aller Zeiten.«
Das Monster unterbrach sich und sah wieder Richtung Tür. Es hatte ein verdächtiges Geräusch gehört. Und tatsächlich: der Junge hatte sein Bett verlassen und kam nun direkt auf den Schrank zu. Kurz blieb er davor stehen und seufzte.
»Geh weg!«, wisperte das Monster leise. »Hau ab! Verschwinde!«
Aber die Verschwörungen halfen nichts. Der Junge packte die Öffnungsgriffe und zog die beiden Türseiten auf.
»Kannst du deine Pläne nicht in deinem Zimmer schmieden?«, fragte er genervt in den Schrank hinein. »Jetzt komm endlich da raus und geh mir nicht weiter auf den Geist. Ich will in Ruhe mein Buch lesen.«
Das Monster stand langsam auf und schlurfte mit gesenktem Kopf zur Zimmertür.
»Und lass meine Monstermaske hier.«, ermahnte Finn seinen kleinen Bruder. »Die brauche ich noch für Halloween. Damit werde nämlich ich die anderen Leute erschrecken und nicht du.«

(c) 2018, Marco Wittler

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