673. Auf der Suche nach dem Weihnachtsland

Auf der Suche nach dem Weihnachtsland

Der Büffel stand im Keller und suchte mit einem seiner Vorderpfoten in einem großen Haufen altem Zeug herum.
»Was suchst du denn da?«, wollte die kleine Maus wissen.
»Ich suche gar nichts.«, antwortete der Büffel und suchte weiter.
»Hm.«, sagte sie kleine Maus verwundert. »Du suchst nichts, suchst aber weiter? Das ist seltsam. Bist du dir sicher, dass du nichts suchst?«
Der Büffel nickte, ließ sich in seiner Arbeit aber nicht stören.
»Weißt du, dieser Haufen liegt hier schon seit einer Ewigkeit.«, begann er schließlich zu erklären. »Der gehörte vorher schon den ehemaligen Besitzern unseres Hauses. Ich habe mir nie die Mühe gemacht, ihn auf den Müll zu räumen. Und jetzt habe ich gerade etwas Zeit und Langeweile. Deswegen wühle ich ein wenig darin herum, ob ich vielleicht etwas Interessantes finde.«
Die kleine Maus setzte sich auf den Boden und sah dem Büffel begeistert zu. Vielleicht würde er einen Schatz finden oder etwas ganz Besonderes, dass sonst niemand auf der Welt besaß.
»Vielleicht findest du ja etwas ganz Besonderes.«, feuerte sie ihn an. »Ich bin schon ganz gespannt, was es sein wird.«
Zentimeter für Zentimeter wühlte sich der Büffel vorwärts. Das meiste, was sie sahen, war alt und uninteressant. Leere Pappkartons, Schachteln, Holzreste von Bastelarbeiten oder aussortierte Dekorationen, die irgendwann mal das Haus geschmückt hatten.
Während der Büffel stur weiter machte, war die kleine Maus schon enttäuscht. »Ich glaube, wir finden hier nichts mehr. Das ist alles Müll und Schrott. Damit können wir nichts anfangen.«
Doch dann fiel ihr Blick auf ein altes, vergilbtes Pergamentblatt.
»Moment mal. Was ist denn das?«
Sie zeigte auf ihren Fund und bat den Büffel, das Blatt vorsichtig hervor zu holen.
Der Büffel nickte und zog das Pergament auf den Boden. Gemeinsam sahen sie darauf.
»Was ist es denn nun?«, wurde der Büffel ungeduldig. »Was steht denn darauf? Jetzt lies es doch schon vor. Du weißt doch, dass ich ohne meine Brille nichts lesen kann.«
Die kleine Maus grinste. Sie wusste nur zu gut, dass der Büffel gar keine Brille besaß. Er wollte nur nicht zugeben, dass er nicht lesen konnte. Das war ihm einfach zu peinlich.
Die kleine Maus beugte sich über das alte Papier, lief von einer Ecke zur nächsten und betrachtete es ganz genau.
»Das sieht aus wie eine Karte.«
»Eine Schatzkarte?«, staunte der Büffel. »Vielleicht ein Piratenschatz? Dann werden wir stinkreich.«
Die Maus schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist eine alte Landkarte, die jemand selbst gezeichnet hat. Ich kann darauf aber nichts finden, dass ich aus meinem Weltatlas kenne.«
Sie gingen zurück ins Wohnzimmer, um die Karte genauer unter die Lupe zu nehmen. Im helleren Licht stellte sich heraus, dass sie den Reiseweg ins Weihnachtsland gefunden hatten.
»Ist das cool.«, war der Büffel begeistert.
»Das ist nicht nur cool.«, verbesserte ihn die kleine Maus. »Das ist mega cool. Stell dir mal vor, wir könnten damit den Weihnachtsmann besuchen oder ihn dabei beobachten, wie er die Geschenke in seinen Schlitten packt.«
Der Büffel nickte. Das hatte ihn schon immer interessiert.
»Was hältst du davon, wenn wir es einfach tun?«,schlug er vor.
»Was tun?«
»Na ist doch klar. Den Weihnachtsmann besuchen.«

Ein paar Stunden später standen sie voll bepackt vor dem Haus. Die kleine Maus hatte sich einen dicken Wintermantel angezogen. Auf dem Rücken waren Rucksäcke mit Proviant befestigt und ein sehr kleiner Sattel für seine Begleiterin. Dann stapften sie durch den tiefen Schnee Richtung Norden – immer den Anweisungen der Karte nach.
Es war eine lange, sehr beschwerliche Reise. Mal war der Schnee so hoch, dass er dem Büffel bis zur Nase reichte. Dann wieder mussten sie breite Schluchten umgehen, hohe Berge besteigen oder vorsichtig in tiefe Täler hinab. Immer wieder versperrten ihnen dunkle Wälder den Weg. Je weiter sie kamen, desto kälter wurde es.
»Ich weiß nicht, ob das wirklich so eine gute Idee war, den Weihnachtsmann zu besuchen.«, zitterte die kleine Maus. »Der Weg ist weiter, als ich es mir zu Hause gedacht hatte. Was ist, wenn uns der Weihnachtsmann gar nicht sehen will oder wir ihn bei seiner Arbeit stören?«
Der Büffel schüttelte seinen Kopf. »Kann ich mir nicht vorstellen. Der Weihnachtsmann ist ein unglaublich netter Mann. Wer den Kindern auf der ganzen Welt Geschenke schenkt, wird uns bestimmt nicht einfach so wieder fort schicken.«
Dann brach er einen Eiszapfen ab, der sich an der seiner Nase gebildet hatte und stapfte weiter.

Sie kamen immer weiter nach Norden. Mittlerweile war es so kalt, dass nicht einmal mehr Bäume wuchsen. Egal, in welche Richtung man sah, es waren nur noch Schnee und Eis zu sehen.
Doch plötzlich war da ein kleines Licht am Horizont zu erkennen.
»Dort scheint jemand zu sein.«, sagte die Maus erschöpft. »Vielleicht ist das ein Haus oder wenigstens ein Feuer, an dem wir uns wärmen können. Wir haben eine Pause dringend nötig.«
Mit jedem Schritt wurde das Licht größer, heller und wärmer. Irgendwann konnten die Beiden sehen, was es war. Mitten im Schnee hatte jemand ein Lagerfeuer entzündet.
Als sie fast am Ziel angekommen waren, fielen dem Büffel fast die Augen aus dem Kopf. Am Feuer saß nämlich nicht irgendwer. Es war der Weihnachtsmann, der hier sein Lager aufgeschlagen hatte.
»Ist ja irre.«, flüsterte er andächtig.
»Herzlich Willkommen.«, begrüßte der Weihnachtsmann seine unerwarteten Gäste. »Und bevor ihr fragt: Ja, ich bin der Weihnachtsmann.«
»Wir sind der Büffel und die kleine Maus.«, antwortete die kleine Maus. »Wir haben in unserem Keller eine Karte gefunden, die den Weg zu dir zeigt. Wir wollten dich einfach mal besuchen.«
»Ich habt Glück gehabt, dass wir uns hier im Nirgendwo begegnet sind. In meinem Heim hättet ihr mich nicht angetroffen. Ich bin gerade unterwegs, um die Kinder der Erde zu beschenken.«
Der Weihnachtsmann seufzte. »Und ich habe leider Pech gehabt, denn ich komme im Moment nicht von hier weg. Meine Rentiere sind auf dem glatten Boden ausgerutscht und haben sich ihre Knöcheln verstaucht. Wir hängen hier fest. Weihnachten wird dieses Jahr ausfallen.«
»Ausfallen?«, war die kleine Maus entsetzt. »Weihnachten darf nicht ausfallen. Die Menschen wären mehr als unglücklich. Wir werden dir auf jeden Fall helfen.«
Der Büffel nickte. »Ich bin groß und kräftig.«, sagte er mit seiner tiefen Stimme. »Du und deine Rentiere, ihr macht es euch gemütlich. Ich werde den Schlitten um die Welt ziehen. Dann wirst du rechtzeitig fertig und kein Kind wird enttäuscht werden.«
Die kleine Maus jubelte vor Begeisterung, während sich der Büffel vor den großen Schlitten spannen ließ. Kurz darauf ging es in Windeseile los. Mit riesengroßen Schritten raste das ungewöhnliche Gespann durch die Nacht und rettete das Weihnachtsfest.

(c) 2018, Marco Wittler

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