708. In der Backstube ist der Teufel los

In der Backstube ist der Teufel los

In der königlichen Backstube herrschte mal wieder Hochbetrieb. In Kürze würde im Thronsaal ein großer Empfang stattfinden. Herrscher aus allen möglichen Ecken der bekannten Welt würden sich hier treffen, gemeinsam feiern und verschiedene Abkommen besiegeln. Dazu brauchte es aber auch eine Menge zu essen.
In der Palastküche wurde schon seit Tagen rund um die Uhr gekocht, während in der Backstube das passende Brot aus den Öfen kam.
»Und das mir hier ja kein Fehler passiert.«, mahnte der alte Bäckermeister seine Gesellen und Lehrlinge immer wieder. »Wir haben nicht genug Zutaten, dass wir einen Fehler ausbügeln könnten. Es muss alles perfekt werden.«
Immer wieder schritt er im Kreis an den Tischen seiner Leute vorbei und sah ihnen kritisch auf die Finger. Selbst ein einzelnes, nicht richtig sitzendes Mohn- oder Sesamkörnchen wurde von ihm immer wieder bemängelt und korrigiert.
Hoher Besuch war im Palast des Königs durchaus normal. Aber diese riesige Menge an hohen Herrschaften hatte es hier auch noch nicht gegeben.
Mit der verstreichenden Zeit wurde auch die Arbeit immer anstrengender, die Bäcker immer müder und die Launen immer schlechter. Pausen gab es keine und an einen Feierabend durften sie nicht einmal denken. Darum schlichen sich nach und nach mehr und mehr Fehler ein, über die der Bäckermeister gar nicht erfreut war.
Irgendwann geschah dann tatsächlich ein Missgeschick. Einer der Lehrlinge stolperte über seine eigenen Füße, stürzte und konnte sich gerade noch an einem hohen Regal festklammern. Das Regal konnte das Regal des jungen Mannes natürlich nicht tragen und kippte um. Von ganz oben kippte ein Bottich Milch herunter und verteilte seinen Inhalt im gerade bereit gestellten Mehl.
»Oh nein!«, rief der Bäckermeister entsetzt. »Was hast du Tölpel da nur angestellt? Wie sollen wir jetzt noch unser Brot backen? Das schöne Mehl ist ruiniert.«
Wütend griff er mit der Hand in ein Butterfass, holte sich einen Klumpen hervor und warf ihn nach dem Lehrling.
»Küchenschlacht!«, rief da ein weiterer Lehrling und holte sich einen Korb Eier, dessen Inhalt er in alle Richtungen auf seine Kollegen warf.
Innerhalb weniger Sekunden verwandelte sich die Bäcker in einen chaotischen Haufen, die Backstube selbst in ein Schlachtfeld. Es dauerte mehrere Minuten, bis sich die Gemüter wieder beruhigt hatten.
Der alte Bäckermeister sah sich das Chaos an, in dem sie standen. Brot konnten sie hier nicht mehr backen. Die Zutaten waren verbraucht, das Mehl durch Butter, Eier, Zucker und Milch verschmutzt.
»Ach, was soll‘s.«, seufzte er. »Jetzt ist es auch zu spät, sich noch darüber zu ärgern.«
Er sah in das große Mehlfass und rührte ein wenig darin herum. Plötzlich kam ihm eine Idee.
»Los, Leute. Retten wir, was zu retten ist. Wir nehmen einfach das, was da ist, verrühren es und schauen, was beim Backen dabei heraus kommt. Mehr können wir eh nicht mehr machen.

Einige Stunden später stand der Bäckermeister vor seinem König, da er in den Thronsaal gerufen worden war.
»Was hast du da eigentlich gebacken?«, wurde er gefragt. »Nach Brot sah, roch und schmeckte es jedenfalls nicht.«
»Ähm … ja … also …«, stotterte er.
»Wir hatten einen Einfall und wollten euch etwas völlig Neues für euren Gaumen kredenzen.«
Der König sah seinen Bäckermeister mit unbewegter Miene an. Doch dann begann er zu grinsen.
»Mensch, Bäckermeister. Das war das Beste, was du mir je gebacken hast. Ich liebe es und meine Gäste auch. Wir wollen unbedingt mehr von diesem … diesem …«
»… Kuchen?«
»Ja. Kuchen.«
Der alte Bäckermeister atmete erleichtert auf und freute sich, dass er etwas Neues, ganz Besonderes in seiner Backstube erfunden hatte. Den Kuchen.

(c) 2019, Marco Wittler

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