707. Ich jagte Lord Schweinenase (Mann und Manni 01)

Ich jagte Lord Schweinenase

Ob Sie es glauben oder nicht, für mich gibt es nichts Schöneres, als gemütlich auf meinem Lieblingsplatz zu liegen oder zwischendurch mal zur Futterkrippe zu gehen und mir den Bauch vollzuschlagen. Schlafen und Futtern. Dazwischen von Beidem ausruhen. Das Leben kann echt toll sein. Mehr brauche ich auch eigentlich nicht. Aber leider kommt mir immer wieder jemand dazwischen, der mich stört.
Meist ist es die Frau. Also nicht meine Frau. Ich bin glücklich, alleine zu sein. Aber die Frau kommt trotzdem immer wieder vorbei. Manchmal wedelt sie mit einer Feder vor meiner Nase herum oder sie will mein seidiges Fell streicheln. Dafür erwartet sie dann auch, dass ich ein wenig schnurre.
Ach ja, das hab ich ganz vergessen zu erwähnen. Ich bin ein Kater, von oben bis unten grau getigert. Mein Name ist übrigens Manni.
Naja, und damit komme ich dann auch zu der anderen Person, die mich immer wieder beim Ausruhen stört. Es ist der Mann der Frau. Und er hat immer wieder ganz verrückte Ideen, mit denen er mich ständig beim Schlafen stört.
Okay, ich übertreibe wieder. Denn eigentlich sind seine Ideen ganz spannend. Wir sind dann nämlich ein unschlagbares Team. Wir sind Mann und Manni und lösen jeden Fall, egal wie knifflig er auch sein sollte.
Und heute, an meinem freien Tag, stand er wieder vor mir.
»Hey Manni.«, hatte er mich begeistert angesprochen. »Ich weiß, dass du deinen Tag hast.«
Ich sah ihm an, dass er angestrengt nachdachte. Das konnte schon mal eine Weile dauern. Doch dann sprach er weiter.
»Hm. Eigentlich hast du ja täglich deinen freien Tag. Aber für heute habe ich etwas Besonderes für dich. Wir machen uns nämlich auf die Suche nach einem Übeltäter. Er ist ein Dieb. Er hat den Kühlschrank durchsucht und meine Mettwürstchen gestohlen.«
Oha. Mettwürstchen. Mir schoss sofort ein ganz schlimmer Gedanke durch meinen haarigen Kopf. Wenn tatsächlich jemand alle Würstchen geklaut haben sollte, dann würde es auch für mich am Abend nichts mehr zu knabern geben. Das würde einer mittelschweren Katastrophe gleich kommen.
Ich stand also aus meinem weichen Körbchen auf, streckte mich und gesellte mich an die Seite meines Begleiters. Mann und Manni waren bereit, dem Dieb das Handwerk zu legen.
»Ich weiß genau, wer es war.«, erzählte der Mann nun weiter. »Die Frau hat es mir erzählt. Sie hat ihn nämlich gehört und gesehen, als ich noch arbeiten war. Es war Lord Schweinenase, du weißt schon. Das ist der mit der schweinchenrosa Nase.«
Natürlich. Lord Schweinenase. Wie sollte ich ihn nur vergessen können? Meinen Erzfeind. Der größte Dieb von allen.
Ich maunzte laut und gab dem Mann zu verstehen, dass wir keine Zeit zu verlieren hatten.Wir mussten Lord Schweinenase ein für alle Mal das Handwerk legen.
Wir machten uns auf den Weg zum Tatort Am Kühlschrank mussten erste Spuren gesucht und gesichert werden. Jeder Verbrecher hinterließ etwas.
Vor Ort wurden wir dann auch sehr schnell fündig. Überall lagen Katzenhaare, die eindeutig vom Lord stammen mussten.
Der Mann öffnete die Kühlschranktür und hob mich hoch.
»Mensch, Manni. Du wirst auch immer schwerer.«
Hatte der Mann mich tatsächlich an schwer bezeichnet? Im Gegensatz zu ihm hatte ich schon immer eine Traumfigur mit Idealgewicht. Sein Bauch wuchs dafür stetig weiter nach vorn.
Aber das war jetzt unwichtig. Wir hatten einen Fall zu lösen.
Mein geschultes Auge fand schnell weitere Hinweise, die der Mann wohl übersehen hätte. Im Butterblock sah ich ganz eindeutig Pfotenabdrücke. Wir waren auf dem richtigen Weg. Jetzt nicht nachlassen.
Der Mann setzte mich wieder auf dem Boden ab. Ich lief schnellstens in die Vorratskammer. Auch dort fanden sich Hinweise auf Lord Schweinenase. Überall lagen angebissene Futtertütchen und aufgerissene Nudelpackungen.
Nudeln fraß der Dieb natürlich nicht. Da er aber nicht lesen konnte, hatte er wohl alles geöffnet auf der Suche nach Fressbarem.
Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun. Würde mein Gegenspieler alles auffuttern, was sich im Haus befand und würde ich dann verhungern? Wir mussten uns beeilen.
Ich gab Gas, rannte durch das Wohnzimmer, bog in den kleinen Flur ab und gelangte schließlich ins Bad.
Dort saß er. Im Katzenklo. Meinem Katzenklo! Wie konnte er mir das nur antun?
Egal, dafür hatten wir ihn endlich gefunden. Jetzt mussten wir ihm nur noch das Handwerk legen. Ich lockte den Mann zu uns. Er sollte sich Lord Schweinenase schnappen und in eine kleine, enge Katzenbox einsperren.
Doch dann geschah etwas, womit niemand von uns gerechnet hatte.
»Ist das euer Ernst, Leute?«, hörte ich plötzlich die Stimme der Frau hinter mir. »Könnt ihr Lord Schweinenase nicht ein einziges Mal ungestört aufs Klo gehen lassen? Jedes Mal das gleiche Theater.«
Zuerst sah sie den Mann strafend an, dann mich. »Mann und Manni, ihr geht jetzt zurück ins Wohnzimmer und wartet dort auf mich. Ich habe noch ein Hühnchen mit euch zu rupfen.«
Oh! Ein Hühnchen? Lecker. Mittagessen. Schnell lief ich ins Wohnzimmer und sprang aufs Sofa.
Bis die Frau dann endlich zu uns kam, dauerte es noch ein paar Minuten. Als sie dann aus dem Bad heraus kam, lang Lord Schweinenase laut schnurrend auf ihrem Arm und ließ sich genüsslich kraulen.
Verdammt! Er hatte es also wieder geschafft, sie um den Finger zu wickeln. Irgendwie musste ich ihr beweisen, dass er ein Dieb war. Nur wie?
Die Frau setzte sich auf einen Stuhl vor uns und sah uns ernst an.
»So, Jungs.«, begann sie und machte mir etwas Angst.
»Mir ist aufgefallen, dass hier jemand Würstchen stibitzt hat. Nicht nur eines, sondern einen ganzen Beutel voll. Außerdem ist in der Kammer alles Mögliche angeknabbert worden.«
Ha! Sie hatte es bemerkt. Sie wusste, was passiert war. Jetzt musste sie nur noch die richtigen Schlüsse ziehen.
»Ihr habt nicht zufällig was damit zu tun?«
Hä? Wir? Wie kam sie denn darauf?
»Wir? Aber das waren meine Würstchen. Warum sollte ich mich selbst beklauen?«, verteidigte sich der Mann sofort.
Wie konnte er nur? Er fiel mir in den Rücken. Jetzt war ich auf mich allein gestellt.
Ich zeigte mit meiner Pfote auf Lord Schweinenase, was ihn aber nicht interessierte. Er fauchte nicht, er knurrte mich nicht an. Er schnurrte einfach fröhlich vor sich hin.
»Dann wollen wir mal schauen, was sich so in Mannis Körbchen tut.«
Wie? Was? Mein Körbchen? Was sollte das denn mit dem Fall zu tun haben? Völlig absurd. Mein Körbchen war unschuldig.
Ich wollte noch hinein springen, um es zu beschützen, aber ich war nicht schnell genug.
Die Frau ergriff mein Kuschelkissen und riss es in die Luft.
»Aha!«, rief sie. »Was kommt denn da ans Tageslicht?«
Unfassbar. Die Frau hatte die Würstchen gefunden. Und jede Menge Katzenknabberleckerlis. Hier waren sie also versteckt gewesen.
Hmpf! Sie hatte mich ertappt und meine Notration für schlechte Zeiten entdeckt.
»Schäm dich Manni. Einfach dem Mann seine Würstchen zu klauen.«
Naja, wenn er so dumm war und nicht darauf aufpassen konnte.
»Und es dann auch noch auf Lord Schweinenase zu schieben, der gar nichts angestellt hat.«
Ach man. Das war doch zum aus der Haut fahren. Ich wollte doch nur einen kleinen Mitternachtssnack haben. Und jetzt war alles wieder weg. Ich hätte mir wohl einen anderen Begleiter aussuchen sollen.
Mann und Manni. Das konnte ja gar nicht gut gehen.
Murrend verzog ich mich in mein nun leeres Körbchen, rollte mich zusammen und vergrub meine Nase unter meinem weichen Schwanz.

(c) 2019, Marco Wittler

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