Er grub mir das Wasser ab
Ich war stinkig. Der Mann, der Teil unserer sonst so harmonischen WG war, saß seit einer gefühlten Ewigkeit in seinem Arbeitszimmer am Computer und drückte immer wieder die Knöpfe an Maus und Tastatur.
»Was soll denn der Blödsinn?«, fragte ich ihn immer wieder. Auf eine Antwort wartete ich allerdings vergebens. Er ignorierte mich.
Das alles wäre mir prinzipiell egal gewesen, wenn ich nicht an ziemlich großem Hunger gelitten hätte.
Die Frau, die sich sonst zu liebevoll um die Mahlzeiten kümmerte, war unterwegs und hatte die wichtigen Aufgaben dem Mann übertragen, der sie nun sträflich vergaß.
Ich hätte mich natürlich auch selbst um das Futter kümmern können, aber das Schicksal hatte mir zugedacht, als Kater geboren zu werden. Aus diesem Grund fehlte mir der Daumen, mit dem ich eine Dose hätte öffnen können. Ich war also auf Hilfe angewiesen.
Ich musste mir eine Strategie einfallen lassen. Als kreativer Teil des Ermittlerteams Mann und Manni sollte das für mich eine leichte Übung sein.
Ich sah mich im Arbeitszimmer um, nahm alles in mich auf und entwickelte eine Strategie.
Mit einem kräftigen Satz sprang ich auf eine Kommode. Von dort aus wollte ich mich an den Mann anschleichen, mich auf der Tastatur niederlassen und erst dann wieder aufstehen, wenn er sich zur Fütterung entschlossen hätte.
Ich setzte mich in Bewegung, setzte eine Pfote vor die andere und fühlte mich plötzlich ertappt. Der Mann blickte mir tief in die Augen und fragte mich, was mein Plan war.
Verschämt blickte ich zu Boden. Ich hatte mal wieder vergessen, dass ich alle möglichen Techniken beherrschte, außer das Schleichen. Meine Krallen klackerten ständig auf den Boden.
In diesem Moment ertönte ein lautes Piepen vom Schreibtisch. Mein Bruder, Lord Schweinenase, der wieder mal die Reste der letzten Mahlzeit auf seinem Riechkolben spazieren trug, hatte es sich auf der Tastatur gemütlich gemacht und den Computer zum Absturz gebracht. Er hatte es glatt gewagt, meinen Plan zu übernehmen. Er hatte mir völlig das Wasser abgegraben.
Der Mann fuhr mit den Händen verzweifelt durch sein Haar. Sein Ärger war war riesig. Jetzt musste er von vorn beginnen und würde die Fütterung auf unbestimmte Zeit verschieben.
Verdammt!
(c) 2020, Marco Wittler
Bild von Nina Garman auf Pixabay
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