876. Ich störte ihn beim großen Geschäft (Mann und Manni 25)

Ich störte ihn beim großen Geschäft

Es war eine unruhige Nacht, in der ich sehr wenig Schlaf fand. Die Rolläden, die nur halb herab gelassen worden waren, bewegten sich pausenlos durch den Sturm, der draußen wütete. Die Geräusche, die sie dabei erzeugten, gaben mir dann den Rest.
Ich wälzte mich immer wieder auf meinem kleinen Schlafplatz auf dem Kratzbaum hin und her. Aber die richtige Position zum Einschlafen wollte sich einfach nicht finden lassen.
Moment! Du fragst dich tatsächlich wieder, warum jemand auf einem Kratzbaum liegt, um dort zu schlafen? Nun denn. Auch in diesem Bericht sollst du eine Antwort darauf bekommen. Ich war der Manni, ein stattlicher Kater. Und Kater schlafen halt gern auf Kratzbäumen.
Oh, achso. Das wusstest du bereits aus den letzten Berichten. Es ging dir eigentlich um die Frage, warum ein Kater Ermittlungsberichte verfasst. Ja, weißt du … das ist halt einfach so. Ich war schon immer etwas ganz Besonderes und brachte deswegen auch besondere Fähigkeiten mit.
Willst du jetzt mit mir diskutieren oder den Bericht lesen?
Also, draußen wütete der Sturm. Milliarden Schneeflocken tanzten wild umher, klatschten immer wieder gegen die Fensterscheibe und färbten den Garten weiß. Ob sie das auch mit dem Rest der Welt taten? Wer weiß. So weit konnte ich nicht sehen.
Plötzlich hörte ich ein Geräusch im Wandschrank, der sich im Flur befand. Irgendwer war dort drin. Das mochte noch nichts bedeuten. In meiner WG lebten mit Mann und Frau zwei Menschen, die allerdings gerade im Bett tief und fest schliefen. Daneben gab es aber noch meinen Bruder Lord Schweinenase, der an den Futterresten an seinem Riechkolben zu erkennen war, die hyperaktive Mini-Mietze und der ängstliche Bengale, der ein gut gehütetes Geheimnis mit sich herum trug, von dem nur ich etwas wusste.
Es bestand die Möglichkeit, dass einer dieser Drei sich im Schrank versteckt hielt. Da aber die Menschen irgendwann am Abend die Tür verschlossen hatten, musste ich mich wohl auf den Weg machen, um meinen Mitbewohner zu befreien.
Ich mühte mich vom Kratzbaum herab, und kam dabei an den einzelnen Schlafplätzen vorbei.
Der Bengale ruhte in seinem Pappkarton neben dem Fernseher, Lord Schweinenase war mit dem Kopf im Fressnapf eingeschlafen. Typisch. Die Mini-Mietze lag auf ihrem Teppich unter dem Wäscheständer.
Moment! Jetzt war es an der Zeit, dass ich Fragen stellte. Wer befand sich da im Schrank, wenn alle Katzen auf ihren Plätzen waren?
Ich schlich in den Flur. Die Schranktür stand weit offen. Der Unbekannte war nicht mehr da. Er hatte sich wohl woanders versteckt.
Schnell machte ich eine Runde, kontrollierte jeden einzelnen Winkel unserer vier Wände.
Fündig wurde ich schließlich auf dem Katzenklo. AUF MEINEM KLO! Verdammt nochmal.
Jemand verrichtete tatsächlich sein großes, stinkendes Geschäft auf meinem ganz persönlichen Thron.
Wütend fuhr ich meine Krallen aus, jagte sie ihm in den Pelz und kratzte bis zum behaarten Hintern hinab.
Der Fremde begann jämmerlich zu jaulen, fuhr herum und sah mich ängstlich an.
Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Es war ein Fuchs. Das erkannte ich ganz genau. Hundeschnauze, buschiger Schwanz, rotes Fell.
»Was soll das denn werden?«, fragte ich ihn.
Ängstlich sah er mich an, entschuldigte sich und kam langsam aus dem Klo heraus.
Er erklärte mir, dass er den kalten Schneesturm nicht mehr ausgehalten hatte. Der Wind war schneidend und seine Schlafhöhle binnen Minuten mit Schnee gefüllt. Er hatte nur ein warmes Plätzchen zum Schlafen gesucht.
Tja, und dann hatte er natürlich irgendwann sein Geshcäft verrichten müssen. Er wollte ungern einen Haufen mitten auf dem Fußboden machen.

Puh! Wenigstens so viel Anstand hatte er.
Ich warf einen Blick aus dem Fenster, sah den immer stärker werdenden Sturm und nickte dem Fuchs zu.
»Bleib meinetwegen. Schlaf dich aus. Der Wandschrank gehört heute Nacht dir.«
Überglücklich drückte der Fuchs mich an sich. Dann verschwand er im Schrank, rollte sich ein und versteckte seinen Kopf unter seinem buschigen Schwanz.

(c) 2020, Marco Wittler

Image by Schmidsi from Pixabay

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