1196. Teddy Knopfbär will die Welt bereisen

Teddy Knopfbär will die Welt bereisen

Teddy Knopfbär langweilte sich. Schon seit Stunden saß er am Fenster, hoch oben in einem Leuchtturm und starrte auf das Meer hinaus. Doch an diesem Tag geschah einfach nichts Aufregendes. Das Wasser lag fast völlig glatt vor dem Strand. Wellen waren keine zu sehen. Am Horizont fuhren nur wenige Schiffe hin und her. Selbst der Himmel war so wolkenfrei, dass man dort nicht Spannendes entdecken konnte.
»Wenn es wenigstens ein paar Wolken geben würde, dann könnte ich darin ein Tiere oder andere Formen entdecken, um mir Geschichten mit ihnen auszudenken. Ich will mal raus hier , irgendwas erleben. Aber stattdessen hocke ich einsam hier oben herum und niemand kommt mal vorbei.«
»Moment mal!«, sagte eine Stimme in Zeitlupe hinter ihm. »Du bist doch gar nicht allein. Ich hänge jeden Tag mit dir zusammen hier ab.«
Teddy Knopfbär drehte sich um und sah zu dem großen Ast, der unter der Decke montiert war. An ihm hing ein Faultier, dass sich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht von seinem Platz fort bewegt hatte. Hatte es sich überhaupt irgendwann einmal bewegt? Teddy Knopfbär konnte es nicht sagen.
»Ach Franz. Du bist so faul. Wie soll man denn mit dir überhaupt irgendwas machen? Du schläfst doch rund um die Uhr.«
Franz schüttelte ganz langsam den Kopf. »Das ist doch gar nicht wahr. Wir unterhalten uns regelmäßig.«
Teddy Knopfbär seufzte laut. »Während du einen Satz sprichst, schaffe ich ein ganzes Hörbuch.«
Er ging zur Wand und drehte an einer Kurbel. Das Faultier wurde langsam herab gelassen, bis es rücklings auf dem Boden lag.
»Oh nein.«, beschwerte sich Franz in Zeitlupe. »Was hast du gemacht? Ich werde mich hier unten wund liegen. Ich werde eine Glatze am Rücken bekommen. Zieh mich wieder hoch.«
Nein. Das wollte Teddy Knopfbär auf keinen Fall. »Wir machen jetzt einen aufregenden Ausflug. Ich akzeptiere keine Widerrede.«
Er holte seinen großen Rucksack aus dem Schrank, wartete eine halbe Stunde, bis das Faultier unter Protest hinein gekrochen war und schnallte ihn sich auf den Rücken.
»Puh, du bist aber ganz schön schwer. Immer nur fressen und abhängen hat dich dick werden lassen. Du solltest mal anfangen, Sport …« Er musste selbst über diesen Gedanken lachen. Ein Faultier und Sport. Das waren zwei Dinge, die überhaupt nicht zusammen passten.
Langsam ging er die Treppe des Leuchtturms hinab, trat nach draußen und warf dem Meer einen letzten Blick zu, bevor er den hohen Deich hinab ging. »Da unten ist eine Bushaltestelle. Ich bin gespannt, wohin wir von dort aus fahren können und ob wir von hier aus die weite Welt erreichen werden. Ich bin mir sicher, dass es überall aufregender und spannender ist als hier. Wer weiß, vielleicht erleben wir sogar ein Abenteuer.«
Abenteuer? Nein sowas wollte sich Franz gar nicht erst vorstellen. Das klang nach unnötiger Bewegung und Arbeit. Dazu war er einfach nicht bereit. Er wollte erneut Protest einlegen, war dann aber doch zu faul und müde dafür.
Sie saßen an der Haltestelle und warteten. Mal flog eine Möwe vorbei, mal blickte ein kleiner Regenwurm aus dem Boden und winkte den Beiden zu. Ab und zu ließ sich auch ein Auto blicken, das an ihnen vorbei fuhr. Ein Bus kam aber nicht.
Immer wieder warf Teddy Knopfbär einen Blick auf den Fahrplan, den er aber nicht lesen konnte. Das hatte er nie gelernt, weil es keine Schule für Teddybären gab.
»Also ich finde es toll hier.«, sagte Franz langsam und glücklich.« Hier ist es ruhig. Es gibt keine Aufregung und wir machen einfach nichts. Das passt mir sehr gut.«
Das gefiel aber dem Knopfbär nicht. »Nein. Ich will was erleben, ich will die Welt sehen, etwas Neues sehen, was ich noch nicht kenne.«
»Dann werdet ihr hier aber noch lange warten.«, hörten sie plötzlich und unerwartet eine Stimme. Teddy Knopfbär drehte seinen Kopf und sah ein Mädchen und einen Mann neben sich stehen. Er hatte gar nicht gehört, dass die Beiden sich zu ihnen gesellt hatten.
»Hallo, ihr Zwei. Mein Name ist Marisa und das ist mein Papa. Man kann hier nicht einfach auf den Bus warten. Man muss ihn anrufen und bestellen, sonst wird er nicht kommen.«
»Oh. Das ähm …« Teddy Knopfbär wurde ganz rot im Gesicht und senkte seinen Blick zum Boden. »Das wusste ich natürlich. Ich habe nur auf den richtigen Moment für den Anruf gewartet.« Er fummelte an seinem Rucksack, suchte in den einzelnen Taschen. »Ich glaube, ich habe mein Handy Zuhause auf dem Tisch liegen lassen, könnt ihr uns vielleicht helfen?«
Marisa sah ihren Papa fragend an, der lächelnd nickte. Er tippte die Nummer ein, die auf dem Fahrplan stand und bestellte einen Bus. »Dann werden wir wohl zu Viert weiter reisen.«, sagte er. »In freundlicher Gesellschaft reist es sich eh viel schöner. Wir haben auch schon ein wunderschönes Ziel ausgesucht, das euch bestimmt gefallen wird.«
Oh, das klang gut. Jetzt war Teddy Knopfbär richtig aufgeregt. Endlich würden sie etwas von der Welt zu sehen bekommen. Sein Mitbewohner Franz Faultier stöhnte genervt auf. Jetzt konnte er sich wohl nicht dagegen wehren, auf Reisen zu gehen. Er zog den Kopf ein und verkroch sich tiefer ins Innere des Rucksacks.
Nach ein paar Minuten fuhr ein kleiner Bus vor. Marisa, ihr Papa, Teddy und Franz nahmen Platz und wurden über die Straße, die am Deich entlang ging, gefahren. Unterwegs unterhielten sie sich, lernten sich gegenseitig kennen und tauschten sich über ihre bisherigen spannenden Erlebnisse aus. Teddy Knopfbär beneidete Marisa, weil dieses Mädchen schon sehr viel von der Welt gesehen hatte, obwohl sie noch sehr jung war.
»Wollt ihr uns nicht endlich aufklären, wohin die Reise geht? Ich kann es kaum erwarten, davon zu erfahren. Ich bin so wahnsinnig neugierig.« Aber Marisa und ihr Vater sagten nichts dazu. Es sollte eine Überraschung sein.
Die Fahrt dauerte eine ganze Stunde. Die Fahrt dauerte eine ganze Stunde. Unterwegs sahen sie hauptsächlich den Deich, viele grüne Wiese und hin und wieder konnten sie auch einen Blick auf das Meer werfen.
Marisas Papa sah auf die Uhr. »Ich glaube, wir sind gleich da. Dort vorn, hinter der nächsten Kurve legt unser Ziel. Seit ihr schon vor Aufregung gespannt?«
Teddy Knopfbär nickte kräftig mit dem Kopf während Franz tief und fest schlief.
Der Bus hielt an und öffnete seine Tür. Die Fahrgäste stiegen aus und sahen sich um. »Na, habe ich zu viel versprochen? Ist es hier nicht wunderschön?«
Teddy Knopfbär sah zum Deich hinauf. Dort oben stand ein Leuchtturm, der seinem eigenen sehr ähnlich sah. Er war nur ein Stückchen kleiner und schmaler. Aber sonst konnte man diesen Ort nicht von seiner Heimat unterscheiden.
»Es ist wirklich wunderschön hier.«, freute er sich mit einem breiten Grinsen im Gesicht. »Wenn das Meer und ein Leuchtturm in der Nähe sind, bin ich glücklich. Dann kann es gar nicht schöner sein.«
Er bedankte sich bei Marisa und ihrem Papa. Gemeinsam hierher gekommen zu sein, war die beste Idee überhaupt gewesen. Sogar Franz Faultier war glücklich, weil hier alles so aussah, wie daheim. Er musste nicht an etwas Neues gewöhnen.

(c) 2022, Marco Wittler


Bild von Łukasz Siwy auf Pixabay

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