1607. Matz Hummel

Matz Hummel

Die Sonne war schon vor ein paar Stunden aufgegangen. Auf der großen Blumenwiese summten die Insekten mal laut und auch mal leise. Emsig wurden Nektar und leckere Pollen gesammelt. Nur einer lag noch schnarchend in den Federn.
Matz Hummel drehte sich unruhig um. Mal schob er die warme Decke zur Seite, mal zog er sie sich bis unter die runde Knubbelnase. Dabei schnarchte er ununterbrochen und so laut, dass die Wände seines Schlafzimmers bebten.
Matz Hummel wurde wach und seufzte. »Verdammt! Bei dem Krach da draußen kann man nicht in Ruhe schlafen.« Er stand auf, zog die Vorhänge auf und lehnte sich weit aus dem Fenster. »Müsst ihr eigentlich so laut Summen? Es gibt auch Langschläfer auf dieser Wiese.«
Schon wollte er ins Bett zurück, als jemand den Kopf ins Zimmer steckte.
»Nun hab dich nicht so.« Bille Biene, seine allerbeste Freundin, warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und hielt sie dann in die Höhe. »Es ist fast Mittag. So langsam könntest du auch mal rauskommen. Hast du etwas vergessen, dass wir uns Gestern zum Pollensammeln verabredet haben?«
»Ja, ich weiß.« Matz verdrehte die Augen und suchte verzweifelt nach einer Ausrede, die er dann auch fand. »Schau dir doch mal das prima Wetter an. Ich bin mir felsenfest sicher, dass heute wieder sehr viele Vögel aus ihren Nestern kommen, um Insekten zu fressen. Die Schwalben sind immer besonders gefräßig. Die haben es dann wieder auf meinen dicken Hintern abgesehen. Ich bleibe lieber hier in meinem Bett.«
»Nichts da!« Bille Biene packte Matz an der Hand und zog ihn durch das Fenster nach draußen. »Das erzählst du mir jedes Mal und bis jetzt ging es immer gut.«
Matz seufzte. Sie hatte leider so Recht. »In Ordnung. Lass uns Pollen sammeln.«
Sie flogen über die Blumenwiese, machten immer wieder in den verschiedensten Blüten halt und stopften sich die Taschen mit allerlei Leckereien voll.
Und dann geschah es doch. Ein riesiger Schatten legte sich über die beiden Insekten. Matz Hummel blickte sofort auf. »Ein Schwalbe!«, rief er laut.
Panik brach aus. Die vielen Insekten, die bis gerade eben noch friedlich Nektar und Pollen für das Abendessen sammelten, flogen in alle Richtungen davon oder verkrochen sich ganz tief in den Blüten, die sie gerade aufgesucht hatten. Niemand wollte von dem gefiederten Räuber gefressen werden.
Die Schwalbe sah sich um. Ihre Zwischenmahlzeiten waren verschwunden. Natürlich verschwand sie nicht, wie es die meisten gehofft hatten. Sie setzte sich an den Rand der Wiese und wartete einfach ab.
»Ich hab es die ganze Zeit gewusst.«, beschwerte sich Matz Hummel, der im Schatten eines Löwenzahnblatts Schutz gefunden hatte. »Du wolltest mir nicht glauben.«
Bille Biene lächelte schief. »Tut mir leid. Was machen wir denn jetzt? Wir können nicht ewig hier sitzen bleiben. Wenn es dunkel wird, finden wir den Heimweg nicht mehr. Hier bleiben mag ich auch nicht. Wer weiß, was für schreckliche Wesen in der Dunkelheit darauf warten, uns zu fressen.«
Sie entschlossen sich, noch eine Stunde abzuwarten.
Die Zeit verging, die Schwalbe nicht. Noch immer saß sie auf der Lauer.
»Wir müssen etwas unternehmen. So kann das nicht weitergehen. Ich habe mir schon einen Plan überlegt.« Matz flüsterte Bille ins Ohr.
Zuerst erschrak die Biene, doch dann nickte sie zitternd. »Ich mache mit. Aber wenn es gefährlich wird, wirst du mir sofort zur Hilfe eilen.«
Bille flog los und verließ das sichere Versteck. »Hey, Schwalbe! Hier bin ich. Komm und friss mich doch. Schaffst du eh nicht, weil ich viel schneller bin.«
Das ließ sich der Vogel natürlich nicht zweimal sagen. Die wilde Verfolgungsjagd begann.
»Hoffentlich brauche ich nicht zu lange.« Matz Hummel flog ebenfalls los und achtete darauf, sich die ganze Zeit hinter der Schwalbe zu halten. Er schlug kräftig mit seinen Flügeln, stieg hinauf und ließ sich mit dem dicken Hintern voraus in eine großzügige Löwenzahnblüte fallen. Ein Teil der Pollen wurde in allen Richtungen verteilt, ein anderer blieb am Pelz der Hummel kleben.
Matz flog weiter zum Rand der Wiese und setzte nun mehrfach mit dem Hintern auf der nahen Landstraße auf. Nach und nach formte er mehrere Muster, die aus der Luft deutlich zu erkennen waren. Sie sahen aus wie Pfotenabdrücke.
»Hilfe! Zu Hilfe!«
Die Schwalbe unterbrach ihre Jagd nach Bille Biene und sah sich um. Ein Insekt in Not war bestimmt einfacher zu fangen. »Hilfe!« rief Matz erneut. Die Katze hat sich in der Wiese versteckt, um Beute zu machen.«
Die Katze? »Mist! Verdammt!« Die Schwalbe blickte sich um, konnte aber nichts erkennen. Das musste nichts bedeuten. Katzen waren Meister im Verstecken und Anschleichen. »Ich suche lieber das Weite. Ich verzichte lieber auf mein Abendessen, als selbst eines zu werden.« Sie machte kehrt und verschwand.
Bille Biene war noch völlig außer Atem, als sie zu Matz Hummel zurückkehrte. »So ein genialer Plan. Das sollten wir jetzt jeden Morgen machen. Dann kommen die Schwalben gar nicht erst auf die Idee, uns nachzustellen.«
Matz lachte. »Nicht mit mir. Du glaubst doch nicht, dass ich zum Frühaufsteher werde.«

(c) 2024, Marco Wittler

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