1609. Matz Hummel hat Stinkefüße

Matz Hummel hat Stinkefüße

Die Sonne stand an diesem Morgen schon besonders früh am Himmel, viel zu früh für den Geschmack von Matz Hummel. Unerbärmlich stach sie mit ihren hellen Sonnenstrahlen durch das Schlafzimmer direkt in seine Augen.
Matz wälzte sich hin und her, suchte verzweifelt den Weg zurück in seine süßen Träume. Vergeblich. Es war einfach zu hell.
Er warf einen Blick auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. »Was? Es ist halb elf?« Er stöhnte auf. »Sag ich doch. Die Sonne ist viel zu früh aufgegangen. Es ist fast noch Nacht. Nicht mal in Ruhe ausschlafen darf man, wenn es Sommer ist. Das ist eine bodenlose Frechheit.«
Matz gähnte laut, streckte als sechs Beine und die Flügel von sich und kroch unter seiner Decke hervor. »Dann will ich wenigstens hoffen, dass die Zeitung schon da ist. Halb elf ist selbst für den Briefträger zu früh.« Ob das der Wahrheit entsprach oder nicht, wusste Matz natürlich nicht. So früh hatte er seine Haustür nur selten geöffnet.
Gemütlich schlurfte er den Flur entlang, freute sich schon auf die neuesten Nachrichten aus dem nahen Wald und seiner Familie im Hummelstaat bei einer dampfenden Tasse Kaffee. Noch bevor er die Hand auf die Klinke legen konnte, klopfte es.
»Wer ist denn da? Ich bin gar nicht wach und liege immer noch in meinem Bett. Ich stehe jetzt bestimmt auch nicht auf.«
Er hörte ein Kichern, dann wurde von außen geöffnet. Eine Biene mit einer sehr fröhlichen Miene im Gesicht trat ein. Es war …
»Bille Biene, was machst du denn schon so früh hier? Bist du aus deiner Wabe gefallen?«
Matz beste Freundin lachte und schüttelte den Kopf. Ich bin schon seit Stunden wach und habe fleißig Nektar und Pollen gesammelt. Jetzt ist Frühstückspause. Da dachte ich mir, ich schaue nach, wie es dir geht.«
Matz verdrehte die Augen. »Die Sonne hat mich viel zu früh wach gemacht. Mein Wecker hatte noch mindestens zwei Stunden.«
Bille Biene legte einen Arm um ihren Freund. »Dann kannst du mich bestimmt bei meiner nächsten Sammelrunde begleiten.«
Matz lächelte schief. »Ich komme eh nicht drumherum.«
Sie teilten sich noch einen großen Becher Kaffee und brachen auf. Gemeinsam flogen sie über die große Blumenwiese, doch dieses Mal kam ihnen immer eine Biene, ein Käfer oder eine freche Fliege zuvor.
»Hey, was soll denn das?« Bille Biene regte sich und schimpfte wie der Rohrspatz, den man von früh bis spät am nahen Waldsee hören konnte. »Die Wiese und die Blumen sind für alle da. Lasst gefälligst noch was für andere über und seid nicht so gierig.« Aber nein. Sie kamen trotzdem an jeder Blüte zu spät an. Die Sammelsäcke an den Beinen der Biene und der Hummel blieben leer.
»Ich wusste, dass uns das irgendwann passieren wird. Gerade wenn es auf den Herbst zugeht, denkt jeder nur noch an sich und volle Vorratskammern. Aber ich habe mich schon vor ein paar Wochen darauf vorbereitet. Ich muss schnell zurück nach Hause.«
Matz Hummel ließ Bille Biene neugierig stehen, machte kehrt und flog nach Hause. Schon ein paar Minuten später war er wieder zurück und hatte zwei prall gefüllte Säckchen dabei.
»Hast du etwa so schnell Pollen gesammelt? Das sieht dir gar nicht ähnlich.«
Matz schüttelte den Kopf. »Nein. Wir werden zuerst ganz flott von Blüte zu Blüte hopsen.«
»Dann haben wir aber keine Zeit, Futter zu sammeln. Man wird uns noch mehr vor der Nase wegschnappen. Wir gehen komplett leer aus.«
»Vertrau mir und mach einfach mit.«
Matz Hummel flog los, steuerte den hinteren Bereich der Wiese an und ließ sich mit seinem dicken Hintern in die erstbeste Blüte fallen, dass die Pollen in alle Richtungen davon wehten. Bille Biene, die er an die Hand genommen hatte, wusste gar nicht, wie ihr geschah und was ihr Freund für einen Plan ausgeheckt hatte.
Wie in einem wilden Tanz ging es hin und her, vor uns zurück, bis sie einfach am Waldrand sitzenblieben und durchatmeten.
»Und was hat uns das jetzt gebracht?« Bille Biene schüttelte ungläubig den Kopf. »Das hat Spaß gemacht, aber Pollen und Nektar hab ich immer noch nicht.«
Matz Hummel grinste und tippte sich ans Ohr. »Hör doch mal.«
»Was soll ich denn schon hören? Da ist doch gar nichts.«
Matz nickte. Bille sah ihn verständnislos an. Nach ein paar Sekunden fiel ihr etwas auf. »Es ist still. Viel zu still. Ich höre kein Summen und kein Brummen, nur das leise säuseln des Windes. Wo sind die anderen Insekten?«
Matz grinste. Ich habe sie vertrieben. Sie werden sie niemals hierher wagen.«
»Aber wie hast du das geschafft?«
Matz Hummel lachte. »Ich bin nach Hause geflogen und habe einen Korb Wäsche nach draußen getragen. Ich habe laut gerufen, dass ich besonders gern Stinkesocken anziehe, weil sie vom Vortag noch so schön warm sind.«
»Igitt. Das ist da widerlich.« Bille Biene hielt sich die Nase zu, stimmte trotzdem in das Lachen ein.
»Ja, ich weiß. Das ist richtig eklig. Deswegen mache ich das auch nicht. Aber sie denken es alle. Nachdem ich nun in jede Blüte gehopst bin, stinken sie nun alle.« Matz hob einen fast leeren Sack hoch. Er griff hinein und holte etwas heraus, das ganz übel stank. »Das ist von der Blüte einer riesigen Titanwurz, einer Blume, die nur ganz selten blüht. Ihr Geruch lässt andere manchmal ohnmächtig werden. Zumindest heute hält sie alle Insekten von unseren Blüten fern. Ich habe nämlich überall etwas davon versteckt.«
Er reichte Bille eine Wäscheklammer und setzte sich selbst eine auf die Nase. »jetzt können wir ganz gemütlich Pollen und Nektar sammeln, ohne dass uns jemand stört.«

(c) Marco Wittler

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