117. Ein Besuch bei der Feuerwehr (Tommis Tagebuch 6)

Ein Besuch bei der Feuerwehr

Hallo liebes Tagebuch. Ich bin es der Tommi.
Es war ein unglaublicher Tag. Wir sind heute Nachmittag mit der Kindergruppe weg gefahren. Es wollte uns aber niemand verraten, wo es hin gehen sollte. Erst am Ziel sahen wir die große Feuerwache unserer Stadt vor uns.
»Wir besichtigen heute die Feuerwehr.«, sagte unser Gruppenleiter.
Und schon waren wir alle mächtig aufgeregt. So etwas Tolles bekamen wir nicht jeden Tag geboten. Ich stellte mir schon vor, im Feuerwehrauto zu sitzen und mit Blaulicht und Sirene durch die Straßen zu fahren.
An der Eingangstür erwartete uns schon ein Feuerwehrmann. Jedenfalls behauptete er einer zu sein. Aber er trug gar keine Uniform, sondern nur eine dunkle Hose und ein T-Shirt, auf dem ›städtische Feuerwehr‹ stand.
Das fanden wir doch sehr seltsam und fragten gleich nach, wo denn seine richtigen Sachen seien. Da erfuhren wir, dass die großen und schweren Uniformen nur während eines Einsatzes getragen werden. Für den normalen Arbeitsalltag in der Feuerwache wäre sie viel zu warm und zu schwer.
Zuerst führte er uns durch unzählige Räume, die wie kleine Werkstätten aussahen. In jedem von ihnen standen Männer herum, die irgendwelche Sachen reparierten. Das war natürlich alles andere als spannend.
»Löscht ihr denn gar kein Feuer oder rettet Katzen, die auf Bäumen fest sitzen?«, fragte ich.
Der Feuerwehrmann musste lachen.
»Doch natürlich. Aber es gibt nicht immer rund um die Uhr etwas zu tun. In der Zwischenzeit reparieren und überprüfen wir unsere Ausrüstung, damit im Ernstfall alles richtig funktioniert und es für uns nicht zu gefährlich wird.«
Das leuchtete mir natürlich ein und ich gab mich zufrieden.
Zwischendurch musste ich immer wieder gähnen, weil es mir so gar keinen Spaß machte. Nach den Werkstätten kamen die Schlafräume dran. Dummerweise öffnete der Feuerwehrmann eine falsche Tür. Vor einem der Betten stand einer seiner Kollegen. Er war nur mit einer Unterhose bekleidet und wollte gerade unter die Dusche gehen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lustig das war. Später sahen wir dann noch die Küche und einen Freizeitraum mit Fernseher und Tischtennisplatte.
»Das gibt es doch auch alles in einer stinknormalen Jugendherberge.«, maulte Niklas.
»Wir wollen endlich etwas Spannendes sehen.«
Der Feuerwehrmann überlegte und bat uns, während wir weiter gingen, im nächsten Raum ganz still zu sein und nichts zu berühren. Als er dann schließlich eine Tür öffnete sahen wir die Zentrale vor uns. Leise gingen wir hinein und stellten uns in einem Halbkreis auf, damit jeder etwas sehen konnte.
Vor uns stand ein riesiger Tisch. Er war mehrere Meter lang und war voll gestopft mit Computern, Telefonen, Monitoren und, Knöpfen und Tasten. Es sah aus wie auf der Brücke eines Raumschiffs.
»Das hier ist die Feuerzentrale. Der Kollege hier nimmt alle Anrufe entgegen und leitet dann die entsprechenden Maßnahmen ein. Er informiert die zuständigen Feuerwehrleute und gibt ihnen den Einsatzbefehl.«
Man mag ja gar nicht glauben, was die Feuerwehr so alles zu erledigen hat. Sie löschen nicht nur Feuer. Sie pumpen Wasser aus Kellern, wenn es zu stark geregnet hat. Nach einem Sturm erledigen sie die Aufräumarbeiten auf den Straßen, wenn Bäume umgefallen sind. Naja, und Katzen holen sie auch noch aus den Bäumen, wenn genug Zeit bleibt. Ein paar der Männer haben aber eine ganz andere Aufgabe. Sie fahren mit dem Notarztwagen und dem Rettungswagen und retten kranke und verletzte Menschen. Das habe ich gar nicht gewusst.
Zu gern hätte ich ja mal den einen oder anderen Knopf auf dem Tisch gedrückt, aber das war leider verboten.
Zuletzt gingen wir eine Etage tiefer. Wir durften nun in die Garage und uns ein paar Wagen anschauen. Schon dachten wir, jetzt würde es richtig langweilig werden. Autos kennen wir doch eh alle von der Straße. Und etwas anderes fährt auch ein Feuerwehrmann nicht. Aber da lagen wir dann doch richtig falsch.
In der großen Garage standen die Rettungswagen, einer neben dem anderen. Der Feuerwehrmann öffnete einen und stieg hinein, während wir vor der Tür standen und hinein sahen. Er erklärte uns alle Geräte und probierte mit uns sogar ein paar aus. Er klemmte uns uns alle nacheinander an eine Maschine an, die den Puls und den Herzschlag misst. Das war richtig aufregend. Aber der ganz große Höhepunkt war das noch immer nicht.
Durch eine Tür kamen wir in eine zweite Garage. Dort standen nun endlich die Feuerwehrautos, vom ganz großen, mit der Leiter oben drauf, bis zum ganz kleinen. Der Kleine war ein Trabbi, der hin und wieder zu den Grundschulen fährt und allen Kindern zeigt, wie man Brände verhindert oder löscht. Aber wir hatten nur Augen für die wirklich großen Fahrzeuge.
Leider durften wir nicht auf die Leiter klettern. Das wäre zu gefährlich gewesen. Aber dafür durften wir mal hinter die eine und mal hinter die andere Tür schauen. Überall waren große schwere Geräte verstaut, mit denen man alles Mögliche machen konnte. Wofür sie aber nun gedacht waren, habe ich schon wieder vergessen, denn ich dachte nur noch daran, einmal in meinem Leben am Steuer eines Feuerwehrautos sitzen und es fahren zu dürfen.
Nach zwei Stunden war die Führung durch die Feuerwache vorbei und es wurde Zeit nach Hause zu fahren. Aber ich wollte unbedingt noch einmal einen Blick auf das ganz große Fahrzeug werfen. Ich schlich mich zurück in die Garage und bestaunte es ein zweites Mal.
In diesem Moment läutete eine Glocke und eine Sirene begann zu heulen. Ein Feueralarm war ausgelöst worden. Ich bekam Angst, dass mich nun jemand in der Garage erwischen würde. Da ich kein anderes Versteck fand, kletterte ich schnell in das Feuerwehrauto und versteckte mich hinter einem Berg Jacken, als auch schon die ersten Männer herein gestürmt kamen. Sie hatten ihre Uniformen an, bestiegen die Fahrzeuge und fuhren zu ihrem Einsatzort. Und ich war nun leider mit dabei.
Es dauerte nur ein paar Minuten, bis wir wieder anhielten. Die Feuerwehrmänner stiegen aus und bereiteten sich auf ihren Einsatz vor. Ich sah vorsichtig nach draußen und sah ein brennendes Haus. Aus allen Fenstern kamen große Flammen heraus.
Der Löschtrupp verteilte sich an der ganzen Straße entlang und begann mit großen Schläuchen Wasser und Schaum in das Haus zu spritzen.
Plötzlich sah ich an der Seite des Hauses zwei Kinder aus einem der Fenster heraus schauen. Sie winkten und schrien vor Angst, aber niemand sah oder hörte sie. Ich war der Einzige, der wusste, dass sie dort oben waren.
Ich kletterte sofort nach vorn auf den Fahrersitz, schnappte mir das Funkgerät und sprach hinein, in der Hoffnung, dass mir jemand zuhören würde.
Sofort sah ich, dass sich die Feuerwehrmänner zu mir umdrehten. Sie hatten mich entdeckt. Einer von ihnen kam herüber, öffnete die Tür und wollte mich heraus holen.
»Du bist doch von der Kinderführung heute Nachmittag. Wie kommst du denn in unser Feuerwehrauto?«
Mir blieb gar nicht die Zeit, alles zu erklären, während er mich griff und heraus zog. Ich wehrte mich, zeigte immer wieder mit den Händen auf die beiden Kinder. Aber es dauerte, bis er begriff, was ich ihm zeigen wollte.
Vor Schreck hätte er mich beinahe fallen lassen. Er setzte mich zurück und rief sofort seinen Kollegen etwas zu. Gemeinsam holten sie ein großes Bettlaken hervor, spannten es zwischen sich auf und ließen die Kinder dort hinein springen. Sie waren gerettet und ich durfte den Rest der Löscharbeiten vom Feuerwehrauto aus anschauen.
Nachdem kein Feuer mehr brannte, brachten mich die Männer zurück zur Feuerwache. Ich hatte wohl eine Standpauke verdient. Die bekam ich auch. Aber danach dankten sie mir, dass ich so aufmerksam gewesen war, denn sonst hätten die beiden anderen Kinder nicht mehr rechtzeitig gerettet werden können. Sie ernannten mich zum Ehrenfeuerwehrmann auf Lebenszeit.
Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie stolz ich darauf bin. So eine Auszeichnung hat niemand anderes, den ich kenne.

Bis bald.
Dein Tommi.

(c) 2008, Marco Wittler

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