118. Zwei kleine Katzenbabys

Zwei kleine Katzenbabys

Anna stand vor dem großen Weidenkorb und machte große Augen. So viele kleine Katzen auf einem Haufen hatte sie noch nie gesehen.
»Das sind ja viele. Da weiß ich ja gar nicht, wie ich mich entscheiden soll.«
Zwölf wuschelige Babys wuselten hin und her und erkundeten neugierig ihre Welt, mal mehr, mal weniger mutig. Dabei gab es dann schon mal große Machtkämpfe mit der Gardine oder einem gefährlichen Fussel, der sich über den Boden schlich.
Gleich drei der kleinen Katzen kamen plötzlich aus einem Versteck unter dem Sofa hervor und attackierten Annas Füße. Sie schienen richtig gefallen an diesem Spiel zu finden. Sie ließen sich sogar sofort hoch nehmen und streicheln. Eine schnurrte lauter und gemütlicher als die andere.
»Dann such dir mal eine davon aus.«, sagte Mama.
»Wir wollen die anderen doch nicht so lange warten lassen. Dein Papa ist schon ganz neugierig.«
Anna stellte die drei Katzen auf den Boden, ging einen Schritt zurück, kniete sich hin und beäugte sie kritisch.
»Es ist so unglaublich schwer, mich zwischen euch zu entscheiden. Ihr seid alle so süß und kuschelig.«
In diesem Moment fiel ihr Blick wieder auf das Körbchen. Dort lagen zwei besonders kleine Kätzchen. Sie kuschelten sich ängstlich aneinander und suchten mit ihren Blicken immer wieder nach ihrer Mutter.
»Die beiden sind als Letzte geboren worden. Deswegen sind sie auch kleiner und zierlicher.«, sagte die Züchterin.
»Sie sind sehr scheu, aber dafür wahnsinnig verschmust. Die kann ich allerdings nur zu zweit abgeben, weil sie sehr aneinander hängen.«
Annas Blick ging hin und her. Dort hinten die Kuschelkatzen und vor ihren Füßen die drei tapferen Miezen, die sich bereits wieder über ihre Füße her machten.
»Wir haben eigentlich nur Platz für eine Katze, mein Schatz.«, sagte Mama.
»Zwei Tiere machen auch doppelt so viel Arbeit und brauchen doppelt so viel Liebe und Zeit.«
Anna machte ein trauriges Gesicht.
»Aber schau doch Mama, wie süß die beiden sind. Sie brauchen eine Familie in der sich richtig umsorgt werden. Können wir es denn überhaupt zulassen, dass sie jemand anderes bekommt? Bei uns werden sie es ganz bestimmt richtig gut haben.«
Die Mutter war sich da noch nicht so ganz sicher. Es sollte Annas erstes Haustier werden. Aber die Frage war auch noch, ob sich eine Katze auch mit dem wilden Dackel vertragen würden, der sich bereits zu Hause breit machte und alles vertrieb, was ihm nicht in den Kram passte.
Anna machte ganz große bettelnde Augen und ihre Mutter gab schließlich nach.
»Also gut. Aber dann trägst du auch die Verantwortung für die zwei. Wenn etwas passiert oder sie vom Hund gebissen werden, dann ist das deine Schuld. Du musst immer darauf acht geben, dass sie nicht überall frei herum laufen können.«
Anna nickte schnell und strahlte über das ganze Gesicht. Die Züchterin holte einen großen Pappkarton hervor, stach mit einer Schere jede Menge Löcher hinein und verpackte darin die beiden Katzen.
»Es sind Kater. Du musst also keine Angst haben, dass ihr plötzlich das ganze Haus voller Katzen habt.«
Anna nahm den Karton vorsichtig unter den Arm und ging mit ihrer Mutter zum Auto.
»Vielen Dank für alles. Ich werde mich um die zwei ganz bestimmt gut kümmern.«

Eine halbe Stunde später waren sie zu Hause angekommen. Anna hatte die ganze Fahrt über am Karton gelauscht und versucht durch die Luftlöcher etwas zu sehen. Aber die Kater verhielten sich ganz still. Sie schienen ziemlich verängstigt zu sein.
»Mach dir darüber mal keine Sorgen.«, beruhigte die Mutter.
»Die zwei sind das erste Mal von ihrer Familie weg und mussten jetzt auch noch eine lange Autofahrt überstehen. Die werden schon bald wieder ganz normal.«
Anna brachte den Karton die Treppe hoch in ihr Zimmer. Dabei wurde sie von Dackel Theo verfolgt. Er roch, dass dort mindestens ein fremdes Tier versteckt sein musste. Also bellte er so laut er konnte. Schließlich war dieses Haus sein Revier und er duldete nur seine eigene Familie hier. Doch an der Tür des Kinderzimmers war für ihn Schluss. Er war nicht groß genug, um die Türklinken zu öffnen. Beleidigt verzog er sich in den Garten und legte sich unter einem großen Busch schlafen.
Währenddessen wurde der Karton geöffnet. Die beiden Kater blinzelten sofort mit den Augen, weil sie nach der langen Fahrt das Licht nicht gewohnt waren.
Anna hob die zwei heraus und setzte sie vorsichtig auf dem Boden ab. Sie sahen sich etwas scheu um und kuschelten sich ganz eng aneinander. Sie mussten sich erst einmal an ihre neue Umgebung gewöhnen. Sie waren nämlich das erste Mal fort von ihrem alten Heim.
Anna sah ihnen eine Weile fasziniert zu, bis sie schließlich aufstand, um den Pappkarton in den Keller zu bringen. Als sie ein paar Minuten später wieder in ihr Zimmer kam, waren die Kater verschwunden.
»Wo seid ihr denn? Habt ihr euch versteckt?«
Aber das rufen nützte nichts. Die beiden Fellknäuel kamen nicht wieder zum Vorschein.
»Oh, nein.«, sagte Anna plötzlich ganz verzweifelt. Ihr fiel auf, dass sie die Tür nicht richtig verschlossen hatte. Die Katzen mussten wohl irgendwo im Haus unterwegs sein.
»Hoffentlich merkt der Hund nichts davon.«
Sie lief über die Treppe nach unten und sah dabei in jeder dunklen Ecke nach. Dann erzählte sie ihrer Mutter von ihrem Fehler.
»Ich war nur ganz kurz weg. Dann waren sie huschdiwusch verschwunden.«
Die Mutter machte zuerst ein böses Gesicht. Doch dann klärte sich ihr Blick.
»Zum Schimpfen ist es jetzt zu spät. Ihr werde dir beim Suchen helfen, bevor der Hund sie gefunden hat.«
Anna sah plötzlich ganz erschrocken aus.
»Wo ist er eigentlich?«
Schnell liefen sie zusammen in den Flur. In einer Ecke stand das Körbchen des Dackels. Anna hatte Glück. Mittlerweile hatte er sich dort hin zurück gezogen und schlief gemütlich vor sich hin.
Anna hockte sich auf den Boden und streichelte ihm den Rücken.
»Braver Junge. Bleib du schön hier. Dann kann meinen beiden Katzenbabys auch nichts passieren.«
Wie auf ein Stichwort bewegte sich der Hund ein Stück. Er drehte sich herum, um es sich gemütlicher zu machen. In diesem Moment, krabbelte etwas um ihn herum. Es war einer der beiden Kater. Und dann war da auch schon der andere. Sie hatten es sich ebenfalls im Korb gemütlich gemacht und sich an den Dackel gekuschelt, der sich mit seinen neuen Freunden richtig wohl fühlte.
»Ihr drei seid mir ja ein feiner Haufen.«, sagte Mama.
»Ich hoffe nur, dass die beiden Babys nicht die ganzen schlechten Angewohnheiten des Hundes übernehmen.«
Doch das war den drei Tieren egal. Gemeinsam schliefen und schnarchten sie nun um die Wette.
Anna war nun auch sehr glücklich. Sie hatte zwei eigene Haustiere bekommen und musste sich nicht einmal Gedanken darüber machen, dass die der Hund beißen würden. Im Gegenteil sorgte er sogar dafür, dass sie sich in den ersten Tagen im neuen Heim nicht zu einsam fühlten.

(c) 2008, Marco Wittler

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