1022. Flaschenpostbote Knut stoppt die Invasion

Flaschenpostbote Knut stoppt die Invasion

Knut zog sich die blaue Jacke über, strich die Ärmel glatt und sah sich prüfend im Spiegel an. Etwas fehlte da noch. Ach, ja. Die passende Schirmmütze gehörte unbedingt auf den Kopf. Er legte den breiten Ledergürtel und seine große, schwere Tasche um. Zuletzt rückte er den Seestern auf der Brust zurecht und nickte endlich. Er war fertig und konnte in den Tag starten.

Der Meermann, verließ er sein Haus und schwamm los. Ihm folgte ein großer Krake, der die restlichen Taschen in seinen Armen hielt. Die Flaschenpost musste ausgeteilt werden. Sein Weg führte ihn wie immer zuerst zur nahen Grundschule, wo die Kinder am Zaun schon auf ihn warteten.
»Knut! Fiete! Enno!«, stürmten sie laut rufend auf die Drei zu. »Könnt ihr uns eines eurer verrückten Erlebnisse erzählen?«
Knut strich sich seinen Schnurrbart zurecht, dachte kurz nach und begann zu grinsen.
»Mir fällt da etwas ein. Wir sind letztens von einer riesigen Armee angegriffen worden. Davon werden wir euch berichten.«
Auf dem Schulhof wurde es mucksfischchenstill, als Knut zu erzählen begann.

Flaschenpostbote Knut war seit Stunden auf Tour und stellte den Bürgern der Stadt unter dem Meer die Flaschenpost zu. An seiner Seite waren wie immer der Krake Fiete, der allein acht lederne Umhängetaschen tragen konnte und der Seestern Enno, der mit seiner besonders tiefen Stimme jeden Bürger freudig begrüßte.
Sie waren schon Straße zu Straße und von Wohnviertel zu Wohnviertel geschwommen, hatten viele Briefkästen gefüllt und nun brauchten sie eine Pause. Dem Meermann schmerzte mittlerweile die Schwanzflosse und dem Kraken alle acht Arme. Nur Enno war fit und grinste breit.
»Hallo!«, sagte der Seestern.
»Ich geb dir gleich Hallo.«, maulte Knut zurück. Jetzt ist erstmal Ruhe angesagt.«
Sie suchten sich ein schattiges Plätzchen unter einem Kliff. An diesem Ort hielt sich gerade sonst niemand auf. Die Flaschenpostboten konnten sich also für ein paar Minuten entspannen, bis es wieder weiter ging.
Plötzlich war ein platschendes Geräusch ganz in der Nähe zu hören, dann ein zweites und ein drittes.
»Was war das?« Knut sah sich verwirrt um. Auch seinen Kollegen kam die Sache seltsam vor.
Die Boten sahen sich um und entdeckten am Boden nicht mehr als drei Seegurken. Dabei handelte es sich um sehr einfache Tiere, so munkelte man im Meer, nicht gerade mit viel Intelligenz gesegnet waren.
Es platschte wieder. Von oben kam eine weitere Seegurke herab.
»Was wird denn das? Seit wann können die Dinger so gut schwimmen?«, wunderte sich Knut. »Da stimmt etwas nicht.«
Und wieder kam ein weiteres Tier zu ihnen herunter.
Knut sah nach oben und riss vor Schreck die Augen auf. »Beim Neptun! Sie greifen uns an. Das ist eine Invasion.«
Tatsächlich waren unzählige Seegurken auf dem Weg zum Meeresgrund. Langsam trieben sie herab und legten sich dicht an dicht um die drei Flaschenpostboten.
»Wir müssen hier weg. Ich habe zwar noch nie gehört, dass die Dinger uns gefährlich werden könnten, aber wir sollten auf Nummer sicher gehen.«
»Hallo!«, rief Enno den Seegurken entgegen, bis ihm Knut den Mund zu hielt.
Mittlerweile war der ganze Boden unter dem Kliff grün. Sand war keiner mehr zu sehen. Dieser Ort war nun in der Hand der Seegurken, die völlig ruhig und entspannt herum lagen.
Fiete entfernte sich langsam, blieb stehen und schwamm noch einmal zu einem der Tiere, das am Rand der Gruppe lag. Er griff vorsichtig danach, sah es sich von allen Seiten genau an und biss schließlich genüsslich hinein.
»Bist du verrückt geworden?«, schrie Knut panisch. »Wer weiß, was sie in dir anstellen oder ob sie vielleicht gefährliche Krankheiten übertragen. Du kannst das doch nicht einfach so machen.«
Fiete lachte und schob sich den Rest seines Snacks in den Mund. »Ist schon gut.«, sagte er schmatzend. »Ich bin mir sicher, dass von leckeren Gewürzgurken keine ernsthafte Gefahr ausgeht.«
Nun sah Knut wieder hoch zur Wasseroberfläche. Dort fuhr gerade ein Schiff über hohe Wellen hinweg. Ein paar gebrochene Gurkenfässer trieben rund herum. Es war wohl die Ladung über Bord gegangen.
»Das habe ich die ganze Zeit gewusst.«, behauptete der Flaschenpostbote. »Ich wollte nur mal sehen, ob ich euch Angst machen kann.«
Er schnappte sich schnell seine lederne Umhängetasche und machte sich wieder auf seine Tour.

Die Kinder der Grundschule sahen die Flaschenpostboten mit großen Augen an. Wer war denn so dumm, sich von Gewürzgurken ängstigen zu lassen.
»Ihr könnt mir glauben, alles was wir erlebt haben, ist wahr. Und man sollte auch Gewürzgurken niemals unterschätzen. Die können echt gefährlich sein.«
Knut, Fiete und Enno der Seestern winkten noch einmal zum Abschied, und machten sich wieder auf den Weg. Als sie langsam von der Schule entfernten, sahen die Kinder eine Gewürzgurke, die sich wohl schon vor ein paar Tagen tapfer in Knuts Hintern verbissen hatte und noch immer dort hing.

(c) 2021, Marco Wittler

Bild: Nik Karlov auf Pixabay

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